Die gezahlte Kirchensteuer ist steuerlich als Sonderausgabe abziehbar und mindert das zu versteuernde Einkommen. Erstattungen von Kirchensteuer, in der Regel aus der Steuererklärung des Vorjahres, werden mit der gezahlten Kirchensteuer im Jahr der Erstattung verrechnet. Eine Kirchensteuer-Erstattung für das Jahr 2017, die in 2018 ausgezahlt wird, mindert folglich die Kirchensteuer, die im Jahr 2018 als Sonderausgabe abziehbar ist.
Nun kann es Fälle geben, in denen der Erstattungsbetrag höher ist als die Zahlungen im betreffenden Jahr, z. B. weil Sie aus der Kirche ausgetreten sind, weil Kirchensteuer auf eine Abfindung oder auf den Gewinn aus Geschäftsveräußerung erlassen wurde, weil die Einkommensteuer aufgrund von Arbeitslosigkeit, Verlusten, Existenzgründung oder Rentenbeginn erheblich niedriger ist als im Vorjahr. Die Frage ist, wie ein Erstattungsüberhang steuerlich berücksichtigt wird.
- Alte Rechtslage bis 2011: Früher wurde der Erstattungsüberhang verrechnet mit der gezahlten Kirchensteuer des Jahres, aus dem die Erstattung resultiert. Dazu wurde der Steuerbescheid dieses Jahres – auch wenn er schon bestandskräftig war – wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert. Der Sonderausgabenabzug wurde also insoweit rückgängig gemacht.
- Rechtslage seit 2012: Jetzt wird der Erstattungsüberhang nicht mehr umständlich in einem Vorjahr berücksichtigt, sondern ganz einfach im selben Jahr dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. Das bedeutet: Für diesen Hinzurechnungsbetrag wird nun zusätzlich Einkommensteuer berechnet. Zweck der Neuregelung ist, die Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen der Vorjahre zu vermeiden, sodass keine Änderungen für zurückliegende Jahre mehr erforderlich sind (§ 10 Abs. 4b EStG).
Beispiel: Herr Müller ist Ende 2017 aus der Kirche ausgetreten und erhält im Mai 2018 mit dem Steuerbescheid 2016 eine Kirchensteuererstattung von 600 Euro. In der Steuererklärung für 2018 ist also dieser Erstattungsbetrag anzugeben. Die gezahlte Kirchensteuer beträgt 0 Euro.
In diesem Fall wird der negative Saldo von 600 Euro nicht in das Jahr 2016 zurückgetragen und dort der abzugsfähige Kirchensteuerbetrag um 600 Euro vermindert. Vielmehr wird der Erstattungsüberhang ganz einfach in der Steuerveranlagung 2018 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. Und für diesen Betrag ist Einkommensteuer nachzuzahlen.
Die Frage ist, ob durch die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs zum „Gesamtbetrag der Einkünfte“ der sogenannte Verlustausgleich beeinflusst wird. Das heißt: Wie ist zu verfahren, wenn Verluste aus Vorjahren existieren, die im Beispielsfall nach 2018 vorgetragen worden sind, weil sie in den Vorjahren nicht mit positiven Einkünften ausgeglichen werden konnten?
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Erstattungsüberhang aus zurückgezahlter Kirchensteuer nicht mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden kann. Der Überhang ist daher – trotz Verlusten der Vorjahre – als Einkommen zu versteuern (Urteil vom 12.3.2019, IX R 34/1).
- Im Streitfall wurde den Klägern in 2012 Kirchensteuer erstattet, die die Vorjahre betraf. Die Kläger gingen davon aus, dass der Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer in Höhe von 166.744 Euro mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen sei. Der BFH lehnt dies jedoch ab. Die Richter begründen die Ablehnung einer Verlustverrechnung damit, dass der Erstattungsüberhang wie die ursprüngliche gezahlte Kirchensteuer als – negative – Sonderausgabe zu berücksichtigen ist.
- Durch die Hinzurechnung kann es daher dazu kommen, dass Einkommensteuer gezahlt werden muss, obwohl hohe Verluste aus Vorjahren vorhanden sind. Es kommt dann zu einer Besteuerung allein des Vorteils aus der Erstattung von Kirchensteuer. Dies gilt auch dann, wenn sich die erstatteten Kirchensteuern im Zahlungsjahr letztlich nicht steuermindernd ausgewirkt haben – ein äußerst merkwürdiges Ergebnis.