Seit 2018 gelten neue Regeln zur Investmentbesteuerung. Der Anleger versteuert zwar grundsätzlich nur die tatsächlichen Zuflüsse aus der Investmentanlage, d.h. die Ausschüttungen des Fonds sowie die Gewinne aus der Veräußerung oder Rückgabe der Fondsanteile. Doch häufig werden die Erträge auch ganz oder teilweise thesauriert. Bei solchen nicht ausschüttenden (thesaurierenden) und teilausschüttenden Fonds müssen Anleger jedes Jahr einen Mindestbetrag versteuern – eine sog. Vorabpauschale. Für diese gelten die gleichen Teilfreistellungen wie für die Besteuerung von Ausschüttungen. Die Höhe des steuerfreien Anteils richtet sich auch hier nach der Art des Fonds.
Die Höhe der Vorabpauschale orientiert sich an einer risikolosen Marktverzinsung, d.h. an dem Betrag, den ein Anleger am Markt für eine risikofreie Geldanlage erhalten würde. Die tatsächlichen Ausschüttungen mindern die Vorabpauschale im Jahr ggf. bis auf null. Darüber hinaus ist die Vorabpauschale auf die tatsächliche Wertsteigerung des Anteils im Jahr begrenzt und fällt somit nicht an, wenn ein Verlust erzielt wurde.
Anfang Januar 2019 hat der deutsche Fiskus Investmentsparern erstmals eine Vorabpauschale für das Jahr 2018 in Rechnung gestellt. Mit ihr wurden Erträge aus thesaurierenden und teilthesaurierenden Fonds besteuert. Die Vorabpauschale ist – wirtschaftlich betrachtet – eine vorweggenommene Besteuerung zukünftiger Wertsteigerungen. Daher wird sie beim Verkauf der Fondsanteile vom tatsächlichen Veräußerungsgewinn abgezogen.
Die Vorabpauschale orientiert sich nicht an den tatsächlich angefallenen Gewinnen, sondern berechnet sich anhand einer bestimmten Formel. Die Vorabpauschale beträgt 70 Prozent des jährlichen Basiszinses der Bundesbank multipliziert mit dem Wert des Fondsanteils zum Jahresbeginn (sog. Basisertrag). Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt, der sich zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis zzgl. der Ausschüttungen ergibt. Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so gilt stattdessen der Börsen- oder Marktpreis.
- Für das Jahr 2020 gab das BMF als Basiszins 0,07 Prozent bekannt, den die Deutsche Bundesbank auf den 2.1.2020 anhand der Zinsstrukturdaten errechnet hatte. 70 Prozent des Basiszinssatzes ergeben 0,049 Prozent. Hierauf kommt dann die Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent zum Ansatz zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Und dieser Betrag ist als Vorabpauschale zu versteuern. Der – fiktive – Zufluss erfolgte allerdings erst im Folgejahr, genau genommen am 4.1.2021. Die Zuflussregelung ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung des § 18 Abs. 3 InvStG (BMF-Schreiben vom 29.1.2020, BStBl 2020 I S. 218).
- Für das Jahr 2021 betrug der Basiszins vom 4.1.2021 -0,45 Prozent. Fazit: Aufgrund des negativen Basiszinses wurde (in 2022) für das Jahr 2021 keine Vorabpauschale erhoben! (BMF-Schreiben vom 6.1.2021, BStBl 2021 I S. 56).
Aktuell gilt zur Vorabpauschale für das Jahr 2022 Folgendes: Der Basiszins vom 3.1.2022 beträgt -0,05 Prozent. Fazit: Aufgrund des negativen Basiszinses wird (in 2023) für das Jahr 2022 keine Vorabpauschale erhoben! Die Depotbanken führen also keine Kapitalertragsteuer gemäß Vorabpauschalen-Regelung ab (BMF-Schreiben vom 7.1.2022, IV C 1-S 1980-1/19/10038:0005).
Wenn Anfang 2023 keine Vorabpauschale von den Depotbanken abzuführen ist, heißt das nicht, dass laufende Erträge aus thesaurierenden Fonds auch steuerfrei bleiben. Die Vorabpauschale ist nur eine pauschale Rechengröße und eine vorweggenommene Besteuerung zukünftiger Wertsteigerungen. Die Anleger versteuern einen Veräußerungsgewinn beim Verkauf ihrer Fondsanteile. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird die Vorabpauschale vom Veräußerungsgewinn abgezogen. Verkauft der Anleger daher einen thesaurierenden Investmentfonds, ist spätestens beim Verkauf die Kapitalertragsteuer fällig.
Investmenterträge – und somit auch eine Vorabpauschale – sind nicht anzusetzen, wenn die Fondsanteile im Rahmen von Riester- oder Rürup-Verträgen gehalten werden. Hier bleibt es bei der nachgelagerten Besteuerung der Erträge in der Auszahlungsphase.