Im Frühjahr 2021 fand wieder einmal der europaweite Verkehrsaktionstag „Speedmarathon“ bzw. Blitzmarathon statt. Mit dem Ziel, das Geschwindigkeitsniveau nachhaltig zu senken und damit Verkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzten zu reduzieren, hat die Polizei in mehreren Bundesländern eine groß angelegte Aktion mit Blitzern und Laserpistolen gegen zu schnelles Fahren durchgeführt.
Und tatsächlich: Tausende Autofahrer sind in die Radarfallen getappt. Können Autofahrer, die sich auf dem Weg zur Arbeit oder auf einer Dienstreise befanden, die „Knöllchen“ als Werbungskosten absetzen? Oder kann der Chef die Knolle eventuell steuerfrei erstatten?
Nein, die Buß- und Verwarnungsgelder sind weder beim Arbeitnehmer als Werbungskosten noch beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben absetzbar. Der Ausschluss ist ausdrücklich im Gesetz geregelt und gilt für „von einem Gericht oder einer Behörde festgesetzte Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder“ (§ 4 Abs. 5 Nr. 8 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG).
Vielmehr stellt die Übernahme von Bußgeldzahlungen durch den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, der zudem sozialversicherungspflichtig ist. Denn die Arbeitgeberleistung erfolgt hier nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse und ist deshalb nicht steuerfrei.
Verstöße gegen die Rechtsordnung, die mit Bußgeldern belegt sind, würden nicht zu den „notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen“ zählen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Fahrer angewiesen hat, Lenk- und Ruhezeiten nicht einzuhalten (BFH-Urteil vom 14.11.2013, VI R 36/12).
Im vergangenen Jahr hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung revidiert, wenn die „Knöllchen“ direkt vom Arbeitgeber als Halter der Fahrzeuge erhoben werden: Der Arbeitgeber als Halter eines Kfz leistet die Zahlung eines Verwarnungsgeldes wegen einer ihm gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG erteilten Verwarnung auf eine eigene Schuld. Die Zahlung führt daher grundsätzlich nicht zu Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 1/17).
Doch dieses Urteil betrifft nur Parkverstöße, bei denen der Halter des Kfz in Anspruch genommen wird. Es betrifft nicht Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei denen der Fahrer verwarnt wird. Zudem ist das Urteil nur auf den ersten Blick positiv.
- Zunächst zeigt sich der BFH gütig: Die Zahlung der Verwarnungsgelder erfolge auf eine eigene Schuld des Arbeitgebers und führe daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat. Der Arbeitgeber als Betroffener hat die Verwarnung durch Zahlung des Verwarnungsgeldes sich gegenüber wirksam werden lassen. Unerheblich ist daher in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber durch die Zahlung des Verwarnungsgeldes und die Nichtbenennung des Fahrzeugführers die Erteilung einer Verwarnung verbunden mit der Erhebung eines Verwarnungsgeldes bzw. die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrzeugführer vermieden hat.
- Dann aber kommt der Haken: Die Steuerfreiheit für den Fahrer gilt nur, wenn der Arbeitgeber gegen die Fahrer wegen der Parkverstöße keinen (vertraglichen oder gesetzlichen) Regressanspruch hat. Sofern jedoch dem Arbeitgeber ein realisierbarer Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Fahrer zusteht und der Arbeitgeber dem Fahrer seine Forderung erlässt, liegt ein geldwerter Vorteil vor, der steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt. Der Arbeitslohn fließt in einem solchen Fall in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er keinen Rückgriff nehmen wird und sich der Arbeitnehmer hiermit einverstanden erklärt. Gegen einen Regressanspruch könnte sprechen, dass der Arbeitgeber die Verstöße der Mitarbeiter zumindest duldet oder die Fahrer sogar angewiesen hat, eine Lieferung unbedingt schnellstmöglich dem Kunden zuzustellen.