Zunehmend versucht die Finanzverwaltung, ihre Befugnisse erheblich zu erweitern. Eine dieser – äußerst umstrittenen – Maßnahmen ist der sogenannte Flankenschutz. Danach sollen Mitarbeiter der Finanzverwaltung befugt sein, bei Ihnen ohne vorherige Ankündigung anzuklingeln. Im Rahmen einer „Wohnungsbesichtigung“ will man einen Blick in das von Ihnen geltend gemachte Arbeitszimmer werfen dürfen. Zwar sind Sie nicht verpflichtet, dem Finanzbeamten Zutritt zu Ihrer Wohnung zu gewähren. Jedoch setzt die Finanzverwaltung ganz massiv auf den Effekt der „Überrumpelung.“
Einen besonders dreisten Fall erlebte eine Steuerzahlerin, die erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend machte. Denn plötzlich stand nicht ein „einfacher“ Finanzbeamter auf der Matte, sondern ein Mitarbeiter der Steuerfahndung, der sich auch als solcher auswies, um sich im Rahmen des Flankenschutzes ein Bild über das Vorhandensein und den Zustand des häuslichen Arbeitszimmers zu machen.
Er erläuterte allerdings, dass er nur für den Veranlagungsbezirk tätig sei. Der Beamte betrat die Wohnung, da die Steuerbürgerin der Besichtigung nicht unmittelbar widersprach. Dort stellte er fest, dass ein häusliches Arbeitszimmer tatsächlich vorhanden war. Der Wohnungsgrundriss stimmte aber offenbar nicht mit dem überein, der dem Finanzamt vorlag. Unmittelbare negative Konsequenzen wurden indes nicht gezogen. Der Vermerk des Flankenschützers endete mit dem Hinweis an den Veranlagungsbezirk, dass die Klägerin demnächst in die gegenüberliegende Wohnung ziehen werde und abzuwarten sei, welche Raumaufteilung sich dann ergebe.
Gegen die Ortsbesichtigung legte die Steuerzahlerin dennoch Einspruch und später Klage ein. Die unangekündigte Ortsbesichtigung sei rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig gewesen sei. Durch das Auftreten als Steuerfahndung sei eine Drucksituation aufgebaut worden, und zwar auch, obwohl der Steuerfahnder erläuterte, dass er im Veranlagungsverfahren tätig sei. Für einen Laien seien diese Unterschiede nicht ohne Weiteres erkennbar. Im Ergebnis sei deshalb ihr gegenüber der Eindruck erweckt worden, es werde gegen sie wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Hierdurch sei ihr Ansehen erheblich gefährdet worden.
Aktuell hat Bundesfinanzhof entschieden, dass eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Steuerfahnder im Rahmen des Flankenschutzes rechtswidrig ist, wenn der Steuerbürger bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt (BFH-Urteil vom 12.7.2022, VIII R 8/19). Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren sei eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können.
Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbürger der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb ein schwerer Grundrechtseingriff nicht vorliegt. Dies ergäbe sich aus Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes, also dem dort verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung.
Wie der BFH weiter ausführt, war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.
Sie sind nicht verpflichtet, einem Finanzbeamten im Rahmen des Flankenschutzes bzw. des reinen Veranlagungsverfahrens Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Zwar befürchten die Betroffenen, dass ihnen unmittelbar negative Konsequenten drohen, wenn sie den Zutritt verweigern, das heißt, dass ihnen der Werbungskostenabzug für das Arbeitszimmer gestrichen wird. Die Befürchtung ist jedoch – zumindest in der Theorie – unbegründet.
Ein älteres Urteil des Niedersächsisches FG vom 9.3.1993 (VII 314/90), wonach die Streichung des Werbungskostenabzugs bei Verweigerung des Wohnungszutritts erlaubt war, dürfte spätestens nach dem aktuellen BFH-Urteil überholt sein.