Umbaukosten aufgrund einer Behinderung nicht auf mehrere Jahre verteilen

Umbaukosten aufgrund einer Behinderung nicht auf mehrere Jahre verteilen
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Behinderte Menschen sind oftmals mit sehr hohen Aufwendungen belastet, die andere gesunde Menschen nicht haben. Die gilt insbesondere für eine behindertengerechte Umgestaltung des Wohnumfeldes, wie barrierefreie Umbaumaßnahmen in der Wohnung, Einbau eines Treppenlifts, Anbau eines Aufzuges, Bau einer Rollstuhlrampe, Umrüstung des Fahrzeuges usw. Dürfen die Umbaukosten aber auch auf mehrere Jahre verteilt werden.

Weil es sich bei einer behindertengerechte Umgestaltung des Wohnumfeldes um unvermeidbare Ausgaben handelt, sind sie als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung absetzbar.

Die Ausgaben müssen wegen des steuerlichen Abflussprinzips in voller Höhe im Jahr der Bezahlung in der Steuererklärung angegeben werden.

  • Der volle Abzug im Jahr der Verausgabung kann allerdings ins Leere laufen, wenn die außergewöhnlichen Belastungen höher sind als der Gesamtbetrag der Einkünfte, von dem sie abgezogen werden sollen. So bringt die steuerliche Absetzbarkeit nicht den gewünschten Entlastungseffekt. Für diesen Fall hatte der Bundesfinanzhof vor 8 Jahren eine Billigkeitsregelung angeregt (§ 163 AO): Betroffene sollten die Möglichkeit haben, die hohen Aufwendungen auf mehrere Jahre zu verteilen (BFH-Urteil vom 22.10.2009, VI R 7/09).
  • Aber die Finanzverwaltung sperrt sich und erklärt immer noch in den Einkommensteuerrichtlinien des Jahres 2015:

„Eine Verteilung auf mehrere Jahre ist nicht zulässig“ (R 33.4 Abs. 4 und 5 EStR).

Aktuell hat der Bundesfinanzhof die harte Haltung des Fiskus bestätigt und entschieden, dass außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich in dem Jahr absetzbar sind, in dem sie geleistet wurden. Hohe Kosten für den behindertengerechten Wohnungsumbau dürfen nicht aus Billigkeitsgründen auf mehrere Jahre verteilt werden, wenn sie sich im Kalenderjahr, in dem sie verausgabt worden sind, steuerlich nur sehr eingeschränkt auswirken können (BFH-Urteil vom 12.7.2017, VI R 36/15).

Der Fall: Die Eltern hatten im Jahre 2011 ihr Wohnhaus mit umfangreichen Baumaßnahmen behindertengerecht umgestaltet, um ihre schwerbehinderte Tochter in ihren eigenen Räumlichkeiten weiter betreuen und pflegen zu können. Dazu hatten sie u.a. einen Lastenaufzug und einen mobilen Lifter angebaut und für ihre Tochter ein Pflegezimmer mit Spezialbett und Spezialbadewanne eingerichtet. Die Kosten beliefen sich auf 166.000 Euro , von denen die Pflegekasse nur gut 2.500 Euro übernahm.

Den Restbetrag wollten die Eltern – gleichmäßig auf die Jahre 2011 bis 2013 verteilt – als außergewöhnliche Belastungen absetzen.

Das Finanzamt hatte dagegen den Gesamtbetrag steuerlich nur im Kalenderjahr 2011 berücksichtigt und die Einkommensteuer mit 0 Euro festgesetzt. Das Finanzgericht und jetzt auch der Bundesfinanzhof haben keine „Unbilligkeit aus persönlichen oder sachlichen Gründen“ erkannt.

Der BFH erklärt: Auch bei außergewöhnlichen Belastungen gilt das sog. Abflussprinzip gemäß § 11 Abs. 2 EStG. Aufwendungen sind danach grundsätzlich in dem Jahr absetzbar, in dem der Steuerzahler sie geleistet hat. Dies gilt unabhängig davon, ob sie aus eigenen oder fremden Mitteln bestritten werden. Auch fremdfinanzierte Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind, können nur im Jahr des tat-sächlichen Abflusses, also der Verwendung der Darlehensmittel, berücksichtigt werden.

Wirken sich außergewöhnliche Belastungen in dem Jahr, in dem sie geleistet werden, mangels eines hinreichenden Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus, sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den restlichen Betrag in einem anderen Jahr zu berücksichtigen oder auf mehrere Jahre zu verteilen (ähnlich § 82b EStDV für Erhaltungsaufwendungen).

Der BFH weist erneut darauf hin, dass Steuern niedriger festgesetzt werden können und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben können, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (§ 163 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Entscheidung über einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen sei eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden. Die Unbilligkeit könne sich aus persönlichen oder sachlichen Gründen ergeben.

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