Sowohl der Trennungsunterhalt an den getrennt lebenden Ehegatten als auch der nacheheliche Unterhalt an den geschiedenen Ehegatten schmälern das verfügbare Einkommen zumeist erheblich. Der Unterhaltsverpflichtete kann seine Unterhaltsleistungen immerhin als Sonderausgaben bis zu 13.805 EUR absetzen (Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG). Hierzu aber muss der Ex-Gatte oder die Ex-Gattin die Zustimmung geben und die empfangenen Beträge seinerseits/ihrerseits als sonstige Einkünfte versteuern (§ 22 Nr. 1a EStG).
Alternativ kann der Zahler seine Unterhaltsleistungen auch als außergewöhnliche Belastung bis zum Unterhaltshöchstbetrag abziehen, wobei hierzu der Empfänger weder seine Zustimmung geben noch die erhaltenen Beträge versteuern muss. Allerdings spielt die Höhe seines/ihres Einkommens eine Rolle (§ 33a Abs. 1 EStG).
Im Jahre 2019 hatte das Finanzgericht Münster sensationell entschieden, dass Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1a EStG versteuert , also dem Realsplittung zustimmt (FG Münster, Urteil vom 3.12.2019, 1 K 494/18 E).
Aktuell hat der Bundesfinanzhof das Urteil der Vorinstanz aber wieder kassiert. Es gilt: Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts (Trennungsunterhalt) sind bei der Einkommensbesteuerung nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des so genannten Realsplittings versteuern muss (BFH-Urteil vom 18.10.2023, X R 7/20).
Der Fall: Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 EUR monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, in welchem sich der Ex-Mann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 EUR bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben.
Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015. Das Finanzamt erfasste bei der Klägerin die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte, da sie dem Realsplittung zugestimmt hatte. Die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ das Finanzamt nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar. Dem ist der BFH jedoch entgegengetreten.
Begründung: Unterhaltszahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen, entsprechend auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten. Steuerrechtlich würden die Unterhaltszahlungen nur und erst dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stelle (Realsplitting). Der Antrag überführe die privaten Unterhaltszahlungen rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich.
Die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und – korrespondierend – steuerbaren Einkünften beim Empfänger markiere die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers – im Streitfall in Form von Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt – könnten keine Werbungskosten darstellen.
Der BFH hat dennoch über die Klage nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das Finanzgericht habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 29.2.2024). Allerdings sind Kosten eines Rechtsstreits nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Das ist nur sehr selten der Fall.
In § 9 EStG heißt es einleitend: „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“ Und genau solche Aufwendungen hat die Klägerin getätigt. Warum sich der BFH nicht einfach an den Gesetzestext hält, ist nicht nachvollziehbar. Aber es geht noch weiter. Der BFH schreibt in seiner Urteilsbegründung auch: „Die vom Senat vorgenommene Auslegung vermeidet zudem eine weitere Komplizierung des Steuerrechts. Andernfalls würde unter Umständen eine aufwendige Aufteilung der Prozesskosten nach ihrer Abziehbarkeit erforderlich.“ Dass sich der BFH als Wächter über ein einfacheres Steuerrecht aufschwingt, ist natürlich zu begrüßen. Wenn man aber BFH-Urteile liest, die nur wenige Wochen vor oder nach dieser Entscheidung ergangen sind, wird man dem BFH sicherlich Vieles zugutehalten können. Nur eines ganz bestimmt nicht, nämlich dass er für eine echte Steuervereinfachung stehen würde.