Immer mehr Menschen fühlen sich erschöpft und ausgebrannt – sie leiden unter einem „Burnout„. Eine psychosomatische Erkrankung mit den Symptomen des Burnout und eines psychophysischen Erschöpfungssyndroms stellt grundsätzlich keine „typische Berufskrankheit“ dar. Es handelt sich vielmehr um eine schwer objektivierbare Erkrankung, die Menschen aller Bevölkerungskreise, unabhängig von einer Erwerbstätigkeit, treffen kann.
Jedoch nimmt die Zahl der psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen insbesondere in der Arbeitswelt infolge Zeitdrucks, Komplexität der Arbeit, mangelnder Wertschätzung, Mobbings, defizitären Führungsverhaltens usw. in den letzten Jahren drastisch zu. Der Burnout gleicht einer Depression. Heilung wird nicht mehr durch Feierabend und Urlaub erreicht, sondern nur durch medizinische Behandlungen. Fazit: Auch wenn ein Burnout keine typische Berufskrankheit ist, so kann das Leiden aber durch den Beruf verursacht werden. Und dann liegt der Gedanke nahe, die Kosten für psychosomatische Behandlungen als Werbungskosten geltend zu machen. Geht das?
(1) Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Aufwendungen für eine mehrwöchige Behandlung in einer psychosomatischen Klinik nicht als Werbungskosten absetzbar sind. Zum einen handele es sich bei einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung, die auch durch eine starke emotionale Belastung im Beruf ausgelöst wird, nicht um eine „typische Berufskrankheit“. Zum anderen sehen die Richter keinen offenkundigen Zusammenhang der Erkrankung mit der Berufstätigkeit, weil die Beschwerden bereits vor dem beruflichen Ereignis bestanden und sich danach verstärkt hätten. Ferner sei nicht erkennbar, dass der Mitarbeiter berufsbedingt an einem Burnout litt oder einem Mobbing ausgesetzt war (BFH-Beschluss vom 9.11.2015, VI R 36/13).
Der Fall: Ein Abteilungsleiter wird nicht wie erwartet zum Prokuristen ernannt, sondern bei der Beförderung übergangen. Dies empfindet er als Degradierung und bekommt anschließend akute gesundheitliche Beschwerden. Seine Hausärztin überweist ihn deswegen in Abstimmung mit einem Facharzt für Psychiatrie in eine psychosomatische Klinik zur stationären Behandlung. Die Krankenversicherung verweigert trotz der Atteste die Kostenübernahme, weil ein stationärer Aufenthalt nicht erforderlich gewesen sei. Auch das Finanzamt sperrt sich.
Wenn also ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ausgeschlossen ist, müssen die Kosten doch wenigstens als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung absetzbar sein, oder? Ja, doch hier ist eine wichtige Bedingung zu beachten: Bei psychotherapeutischen Behandlungen – um die es hier geht – verlangt das Gesetz, dass die medizinische Indikation durch ein Attest des Amtsarztes oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen nachgewiesen wird und dieses Attest vor Beginn der Behandlung einzuholen ist (§ 64 Abs. 1 Nr. 2b EStDV).
Anders liegt der Fall, wenn der Zusammenhang zwischen Burnout und der beruflichen Tätigkeit eindeutig feststeht. Schwierig ist der Nachweis bei psychosomatischen Erkrankungen, weil davon Menschen aller Bevölkerungskreise unabhängig von einer Erwerbstätigkeit betroffen sein können. Dies kann der Fall sein, wenn der Mitarbeiter in der Firma gemobbt wird und infolge dessen erkrankt. Dem Finanzamt sollte ein ärztliches Attest darüber vorgelegt werden, dass der Burnout beispielsweise auf das Mobbing am Arbeitsplatz zurückzuführen ist.
(2) Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat die Kosten für zwei Aufenthalte in einer Privatklinik für Psychotherapie und psychosomatische Gesundheitsentwicklung als Werbungskosten anerkannt. Die Behandlung war erforderlich geworden wegen Mobbing und einem langwierigen psychosozialen Konflikt am Arbeitsplatz. Daraus entstand ein „chronisch psychophysischer Erschöpfungszustand mit depressiver Entwicklung“. Die Krankheitskosten seien ausschließlich beruflich veranlasst, weil der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Berufstätigkeit eindeutig feststehe (FG Rheinland-Pfalz vom 22.8.2012, 2 K 1152/12).
Der Fall: Durch das jahrelange „Bossing“ durch den Vorgesetzten war der Mitarbeiter psychisch erkrankt und auf professionelle Hilfe durch Fachärzte angewiesen. Facharzt und Hausarzt bescheinigten, dass die Behandlung ausschließlich aus der beruflichen Konflikt- und Überlastungssituation resultierte. Der lang andauernde berufliche Konflikt war offensichtlich für das Erschöpfungssyndrom mit depressiven Störungen ausschlaggebend gewesen.
„Ob tatsächlich Mobbing durch den Vorgesetzten vorlag oder ob der Mitarbeiter dies nur so empfunden hatte, spielt für den Abzug der Krankheitsaufwendungen als Werbungskosten ebenso wenig eine Rolle, wie die Frage, ob der Klinikaufenthalt notwendig bzw. unabdingbar war. Entscheidend ist, dass die Erkrankung offensichtlich objektiv durch die beruflichen Verhältnisse des Mitarbeiters veranlasst und die Aufwendungen von ihm subjektiv im weitesten Sinne zur Förderung seines Berufs, nämlich zur Bewältigung seiner durch die Konfliktsituation hervorgerufenen psychosomatischen Krankheit, getätigt wurden“.
(3) Anders das Niedersächsische Finanzgericht: Die Richter haben entschieden, dass derartige Krankheitskosten nicht als Werbungskosten absetzbar sind (Niedersächsisches FG vom 20.6.2007, 9 K 263/04; bestätigt mit BFH-Urteil vom 23.1.2008, VI B 91/07).
Die Richter kamen im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Akten für Mobbing im arbeitsrechtlichen Sinne keinen Anhalt böten. Selbst wenn die Vorgesetzten nicht sehr rücksichtsvoll vorgegangen seien und die getroffenen Maßnahmen von der Mitarbeiterin als ungerecht hätten empfunden werden können, sei nicht davon auszugehen, dass die Maßnahmen nur getroffen worden seien, um ihr persönlich zu schaden und sie zu verletzen. Vielmehr hätten die Maßnahmen aus Sicht der Vorgesetzten im Interesse des Unternehmens gelegen.
Die von der Klägerin erlebten beruflichen Veränderungen, ihr Karrierebruch und ihre beruflichen Enttäuschungen seien Erfahrungen, die in Leitungsberufen nicht selten vorkämen. Sowohl die Entstehung als auch der Verlauf lasse darauf schließen, dass die schwere und andauernde psychische Erkrankung der Klägerin zu einem wesentlichen Teil auf ihre persönliche Grunddisposition zurückzuführen sei. Insofern seien berufsbezogene Elemente und Umstände der allgemeinen Lebensführung untrennbar ineinander geflossen, die einen Werbungskostenabzug ausschlössen.
Aktuell ist zu vermelden, dass ab dem 1.1.2022 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Burnout als Krankheit anerkennt. Dann nämlich tritt die neue Klassifikationsliste mit dem Namen ICD-11 in Kraft. Seit Jahrzehnten diskutieren Fachleute über Burnout als eigenständige Krankheit, denn das Syndrom nimmt seit Jahren stark zu. Die WHO hat darauf nun reagiert und Burnout im neuen internationalen Katalog zur Klassifizierung von Krankheiten (ICD) aufgenommen. Zukünftig kann nun auch Burnout, welcher von der WHO auf chronischen Stress am Arbeitsplatz zurückgeführt wird, offiziell diagnostiziert und behandelt werden.
- Der bisherige WHO-Katalog mit dem internationalen Klassifikationssystem ist seit Anfang der Neunzigerjahre gültig. In diesem wird Burnout noch nicht als Krankheit angesehen. Im letzten Jahrzehnt haben sich die Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund des Befundes Burnout verdreifacht. Im Jahr 2017 gab es in Deutschland etwa 166.000 Betroffene.
- In der neuen Version des ICD-Kataloges wird Burnout nun von der WHO als Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“ geführt werden. Die Krankheit wird in drei Dimensionen eingeteilt: ein Gefühl von Erschöpfung, eine zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job und ein verringertes berufliches Leistungsvermögen.
- Zudem weist die WHO darauf hin, dass der Begriff Burnout ausschließlich im beruflichen Zusammenhang und nicht für Erfahrungen in anderen Lebensbereichen verwendet werden sollte.
- ICD steht für „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ oder auf deutsch „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“.
Die Anerkennung von Burnout durch die WHO ist ein wichtiger Schritt und wird in Zukunft die Argumentation bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente erleichtern. Betroffene sollten jedoch darauf achten, dass nicht die bloße Diagnose eines Syndroms oder einer Krankheit maßgebend ist. Vielmehr müssen die bedingungsgemäßen Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit erfüllt sein. Und dann können selbst übernommene Aufwendungen auch durchaus leichter als Werbungskosten anzuerkennen sein.