Wer seinen Steuerbescheid später als 15 Monate nach dem Steuerjahr erhält, muss bei einer Steuernachzahlung zusätzlich Steuerzinsen zahlen. Diese Nachzahlungszinsen betragen jeweils 0,5 Prozent je vollen Monat. Wer indes eine Steuererstattung erhält, bekommt entsprechende Erstattungszinsen (§§ 233a, 238 AO). Der Bundesfinanzhof hat bereits Zweifel an der Höhe der Zinsen geäußert. Daneben sind derzeit auch beim Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden zur Zinsproblematik anhängig, die die Zinszeiträume ab 2010 betreffen (1 BvIR 2237/14, 1 BvIR 2422/17).
Bislang galt die Empfehlung, gegen Bescheide über Nachzahlungszinsen Einspruch einzulegen, um von einer eventuell positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts profitieren zu können. Doch diese Einsprüche sind nicht mehr erforderlich, da die Bescheide nun vorläufig ergehen und damit jederzeit geändert werden können.
Aktuell hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die Finanzämter angewiesen, sämtliche erstmaligen Festsetzungen von Zinsen, in denen die Verzinsung mit 0,5 Prozent pro Monat erfolgt, insoweit vorläufig durchzuführen (BMF-Schreiben vom 2.5.2019, IV A 3-S 0338/18/10002).
Betroffen sind nicht nur Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, sondern z.B. auch Stundungszinsen. Für Fälle von geänderten Steuerbescheiden, zum Beispiel im Anschluss von Betriebsprüfungen oder Änderungsanträgen, enthält das BMF-Schreiben umfassende Regelungen zum Umfang des Vorläufigkeitsvermerks.
Wenn sich im Zuge der geänderten Steuerbescheide auch die Festsetzung der Steuerzinsen ändert, ergeht diese grundsätzlich ebenfalls vorläufig.
Das aktuelle Schreiben der Finanzverwaltung ist sehr erfreulich, da es der Verfahrensvereinfachung dient. Es hat aber eine Kehrseite, denn das BMF weist selbst auf Folgendes hin: „Abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte unter Umständen auch eine Aufhebung oder Änderung zu Ihren Ungunsten erfolgen.“
Konkret bedeutet dies: Bereits gezahlte Erstattungszinsen in Höhe von 0,5 Prozent pro Monat können zurückgefordert werden, wenn der Bescheid vorläufig ergangen ist und die Verfassungshüter den Zinssatz für zu hoch befinden. Denn die eventuelle Verfassungswidrigkeit eines Zinssatzes würde eben nicht nur für die Nachzahlungs-, sondern auch für die Erstattungszinsen gelten.
In Fällen von geänderten Steuer- und Zinsbescheiden sollten Betroffene im Übrigen sehr genau prüfen, ob der Vorläufigkeitsvermerk tatsächlich ergangen und auch wirklich umfassend ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Vorläufigkeit nicht mehr die kompletten Steuerzinsen umfasst, sondern nur noch den Differenzbetrag zwischen der neuen und der alten Festsetzung. Dann wäre doch ein – gegebenenfalls erneuter – Einspruch erforderlich.