Steuerliche Erleichterungen bei Totalverlust von Kapitalanlagen

Steuerliche Erleichterungen bei Totalverlust von Kapitalanlagen
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Die Aktie der Wirecard AG hat aufgrund von Bilanzmanipulationen einen spektakulären Kurssturz erlitten. Wahrlich ein Desaster für die Aktionäre (WKN: 747206) und Anleihegläubiger (WKN: A2YNQ5) der Wirecard AG. Aktionäre haben seit dem Höchststand im September 2018 nahezu 99 Prozent verloren. Sie sind damit nicht mehr weit von einem Totalverlust entfernt. Das lenkt den Blick auf die Frage, ob Anleger den (Beinahe-) Totalverlust in diesem und in ähnlichen Fällen zumindest steuermindernd verrechnen können.

Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

(1) Verkauf zu einem Bruchteil der Anschaffungskosten

Falls die Aktien, die vielleicht zum Preis von 100 Euro gekauft wurden, nun zum aktuellen Kurs von unter 1 Euro verkauft werden, kann der Verlust mit Aktiengewinnen verrechnet werden. Denn es liegt steuerlich eine „Veräußerung“ gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor. Dies gilt in dem Jahr, in dem der Verlust eintritt; ein Verlustrücktrag ins Vorjahr ist hingegen nicht möglich. Sofern im Verlustjahr keine Gewinne mit Aktien erzielt werden, bleibt der Verlust erhalten und kann in den Folgejahren mit entsprechenden Gewinnen verrechnet werden.

Eine „Veräußerung“ liegt auch dann vor, wenn der Veräußerungserlös die Transaktionskosten nicht übersteigt. Denn nach einem neuen BFH-Urteil ist eine „Veräußerung weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Es steht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert“ (BFH-Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16; akzeptiert mit BMF-Schreiben vom 10.5.2019, BStBl 2019 I S. 464).

Aufgrund einer Änderung des § 20 Abs. 6 EStG zum 1.1.2020 ist allerdings fraglich, ob dies auch heute noch gilt. Die Veräußerungskosten sollten daher nach Möglichkeit gedeckt sein. UND: Der Gesetzgeber will „missbräuchliche“ Verkäufe nicht mehr steuerlich „fördern“ (siehe dazu nachfolgend unter 3.)

(2) Ausbuchung vollkommen wertloser Aktien vor 2020

Wurde ein Totalverlust bis zum 31.12.2019 realisiert, können die Anleger den Verlust in ihrer Steuererklärung geltend machen und mit laufenden und ggf. künftigen Aktiengewinnen verrechnen. Dabei können sie sich auf ein vorteilhaftes BFH-Urteil berufen (BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15). Der Bundesfinanzhof hatte Wertveränderungen des Vermögensstamms, z. B. den endgültigen Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre, als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anerkannt.

Nach Auffassung der Richter dürfen seit 2009 nicht nur Vermögenszuwächse besteuert werden, sondern es müssen generell alle Vermögensänderungen – also auch Vermögensminderungen – berücksichtigt werden. Hingegen wollte die Finanzverwaltung Verluste aufgrund Forderungsausfalls nicht steuermindernd anerkennen, weil die Wertminderungen der privaten Vermögensebene und nicht der Ertragsebene zuzuordnen seien (BMF-Schreiben vom 9.10.2012, BStBl 2012 I S. 953, Tz. 60).

(3) Ausbuchung vollkommen wertloser Aktien ab 2020

Wird ein Totalverlust ab dem 1.1.2020 realisiert, ist der Ausgleich von Verlusten zwar weiterhin möglich, doch begrenzt auf 10.000 Euro im Jahr. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 6 EStG). Dies gilt für die Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, Ausbuchung wertloser Wertpapiere, Übertragung wertloser Wertpapiere auf einen Dritten oder sonstigen Ausfall von Wertpapieren. Die Regelung soll auch Veräußerungstatbestände erfassen, die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich das Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat (BT-Drucksache 19/15876 vom 11.11.2019). Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung den heutigen Verkauf von Wirecard-Aktien als „missbräuchlich“ ansehen wird.
Wer also Verluste von über 10.000 Euro realisiert, sollte sich diesbezüglich auf Streit mit dem Finanzamt einstellen.

(4) Verkauf von Alt-Aktien, die vor 2009 gekauft wurden

Wurden die Aktien vor dem 1.1.2009 erworben, kommt das alte Recht zur Anwendung. Daher sind Veräußerungsgewinne nach einer Haltedauer von einem Jahr zwar steuerfrei, doch Veräußerungsverluste können nicht ausgeglichen werden.

(5) Steuerliche Behandlung von Schadenersatzleistungen

Falls tatsächlich ein Schadensersatz an die Aktionäre geleistet wird, ist diese Zahlung im Allgemeinen als Kapitalertrag steuerpflichtig und unterliegt der Abgeltungsteuer. Vorausgesetzt, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion (z.B. Beratungsfehler), bei der ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein steuerpflichtiger
Gewinn vermindert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Bank den Schadensersatz ohne eine rechtliche Verpflichtung, d.h. ohne Gerichtsurteil, leistet. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es sich dabei um besondere Entgelte gemäß § 20 Abs. 3 EStG handeln (BMF-Schreiben vom 9.10.2012, BStBl. 2012 I S. 953, Tz. 83).

Besteht jedoch nur ein indirekter Zusammenhang zwischen einer Schadenersatzleistung und dem Ausfall des Gewinns, dann besteht hierzu keine Steuerpflicht bei der Einkommensteuer. Grund hierfür ist, dass solch ein Schadenersatz keiner der steuerlichen Einkunftsarten entspricht. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, falls ein Urteil Schadenersatzansprüche von Aktionären gegenüber der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigen sollte.

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