Einmal erlassene Steuerbescheide können zu Ihrem Nachteil nur in engen Grenzen geändert werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Steuerbescheid vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Wenn ein solcher Vorbehalt oder eine Vorläufigkeit aber nicht vorliegen, versuchen die Finanzämter zuweilen, eine Änderung damit zu begründen, dass eine neue Tatsache vorliegen würde, die dem zuständigen Finanzbeamten erst jetzt bekannt geworden sei. Dies ermögliche eine Änderung nach § 173 der Abgabenordnung (AO). In vielen Fällen hat die Finanzverwaltung damit auch durchaus Erfolg – aber nicht immer!
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Änderung nach § 173 AO ausscheiden kann, wenn das Finanzamt seine Ermittlungspflicht verletzt hat. Der Grundsatz von Treu und Glauben verhindere eine Änderung zu Ungunsten eines Steuerzahlers, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerbürger grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat (Urteil vom 29.11.2017, II R 52/15).
Der Fall: Die Kläger sind zu drei gleichen Teilen Erben ihrer Mutter geworden. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Für die Festsetzung der Erbschaftsteuer wurden die Erben aufgefordert, Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen. Aus Vereinfachungsgründen verzichtete das Finanzamt aber auf ausführliche Erklärungen. Die gestellten Fragen wurden von den Erben korrekt und auch vollständig beantwortet. Erst im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt weitere Tatsachen fest, die zu einem höheren Wert des Grundbesitzes führten. Daraufhin änderte es den entsprechenden Steuerbescheid.
Der BFH ist der Änderung entgegengetreten. Das Finanzamt verletze seine Ermittlungspflicht, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Verzichte das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordere ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletze es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt.
Erfülle der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, sei das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige sei nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es falle vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.
Das Urteil wird der Finanzverwaltung nun in vielen Fällen die Änderung aufgrund neuer Tatsachen erschweren. Betroffene Steuerzahler sollten prüfen (lassen), ob und inwieweit das Finanzamt seine Ermittlungspflichten verletzt hat.
Aber natürlich ist die Entscheidung kein Freibrief: Wer seinerseits seine Mitwirkungspflichten bewusst verletzt, wird eine Änderung nach §173 AO auch in Zukunft nicht vermeiden können. Hier hilft allenfalls die Festsetzungsverjährung.