Es gibt neben gesetzlicher oder privater Krankenversicherung einen weiteren Weg, sich abzusichern: die Solidargemeinschaften. Der erste Solidarverein entstand vor fast 100 Jahren. Damals gründeten Polizisten und Pfarrer berufsspezifische Vereine dieser Art, die bis heute existieren. Seit den 90er-Jahren kamen offenere Vereine hinzu. Sie heißen Samarita, Artabana oder Solidago und haben inzwischen rund 20.000 Mitglieder.
Solidarvereine verstehen sich als solidarische Gruppen, die im Krankheitsfall finanziell füreinander einstehen und damit als soziale und solidarische Alternative zu den Krankenversicherungen. Aber es gibt Probleme:
- Seit Jahren winden sich die gesetzlichen und die privaten Krankenkassen, die Gemeinschaften als dritten Weg der Absicherung im Krankheitsfall anzuerkennen. Ihr rechtlicher Status ist unklar. Nun soll das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob Solidargemeinschaften einen vollwertigen Krankenversicherungsschutz bieten (1 BvR 2062/17).
- Seit 2007 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Bürger einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung angehören müssen, außer sie haben einen „anderweitigen Anspruch auf Absicherung“. Dieser Passus soll eigentlich Solidarvereine schützen. Doch weigern sich viele Versicherer, Wechselwillige ziehen zu lassen. Eines ihrer Argumente: Es fehle in den Satzungen der Solidarvereine ein fester Leistungskatalog. Einige Gruppen wie die jahrzehntealten Unterstützungsvereine für Pfarrer sind bereits seit vielen Jahren anerkannt, viele andere Solidargemeinschaften aber nicht.
- Die Finanzämter wollen die gezahlten Beiträge nicht als Sonderausgaben anerkennen, weil auf die Leistungen offenbar kein Rechtsanspruch besteht.
Wie ist die steuerliche Rechtslage?
- Krankenversicherungsbeiträge sind dann als Sonderausgaben absetzbar, wenn sie geleistet werden an Versicherungsunternehmen, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat haben und das Versicherungsgeschäft in Deutschland betreiben dürfen, oder denen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (§ 10 Abs. 2 Nr. 2a Satz 1 EStG).
- Darüber hinaus werden Krankenversicherungsbeiträge nur berücksichtigt, wenn die Einrichtung eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG gewährt (§ 10 Abs. 2 Nr. 2a Satz 2 EStG).
Im Jahre 2020 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Krankenversicherungsbeiträge an einen Solidarverein dann als Sonderausgaben absetzbar sind, wenn der Solidarverein als „Einrichtung“ anzusehen ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gewährt (§ 10 Abs. 2 Nr. 2a Satz 2 EStG) und wenn auf die Leistungen des Vereins ein Rechtsanspruch besteht (BFH-Urteil vom 12.8.2020, X R 12/19).
Aktuell hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass eine Solidargemeinschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, deren Mitglieder sich gegenseitig eine umfassende Krankenversorgung zusichern, keine Einrichtung ist, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewährt und auf deren Leistungen ein Rechtsanspruch besteht (FG Münster, Urteil vom 9.2.2022, 11 K 820/19 E).
- Gemäß Vereinssatzung sichern sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Nach der Satzung werden „mit der Umsetzung der Satzungszwecke die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt.“
- Das Finanzamt lehnt die steuerliche Anerkennung der Beiträge ab, weil im Krankheitsfall kein einklagbarer Rechtsanspruch gegenüber der Solidargemeinschaft existiere. Vielmehr handele es sich bei den Ausführungen in der Satzung lediglich um Absichtserklärungen.
- Auch nach Auffassung des Finanzgerichts sind die Beiträge nicht als Sonderausgaben absetzbar. Die Satzung der Solidargemeinschaft enthalte keine ausdrücklichen Anspruchsgrundlagen für Leistungen, wie sie etwa die §§ 20 ff. i.V.m. § 11 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung enthalten. Dann aber besteht auch kein Leistungsanspruch, welcher Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Beiträge als Sonderausgaben ist. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kommen die Richter zu dem Ergebnis, dass die Mitglieder der Solidargemeinschaft keinen Rechtsanspruch auf Erstattung ihrer Kosten haben.