Nicht nur Horst Schlämmer (alias Hape Kerkeling), sondern sehr viele Menschen „haben Rücken“. Gemeint sind Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen. „Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz!“ Man sollte etwas dagegen tun. Beispielsweise ein Rückentraining im Fitnessstudio absolvieren und damit die Rückenmuskulatur stärken. Und gleich kommt der Gedanke: Wenn schon nicht die Krankenkasse zahlt, hilft wenigstens das Finanzamt beim Bezahlen?
Na ja, da wird´s kritisch. Nach der BFH-Rechtsprechung dient die sportliche Betätigung der allgemeinen Gesunderhaltung, sodass beispielsweise Beiträge für das Fitnessstudio steuerlich nicht anerkannt werden. Das gilt auch, wenn Sport als Ausgleich für eine sitzende Berufstätigkeit ausgeübt wird. Sport kann aber auch betrieben werden, um eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen oder zu seiner Besserung und Linderung beizutragen. Dann handelt es sich um Krankheitskosten, für die ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG in Betracht kommt. Allerdings legen die Finanzämter hier strenge Maßstäbe an (BFH-Urteil vom 14.8.1997, III R 67/96):
- Die medizinische Notwendigkeit der Sportausübung muss durch ein Attest des Amtsarztes oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen nachgewiesen werden.
- Dieses Attest muss unbedingt vor Beginn des Trainings eingeholt werden.
- Der Sport muss nach den Anweisungen und unter der Leitung eines Arztes oder Heilpraktikers durchgeführt werden. Anstelle der ärztlichen Leitung genügt auch die Leitung und Beaufsichtigung durch eine andere zur Heilkunde zugelassene Person, z.B. einen Krankengymnasten. Nicht ausreichend aber ist die Leitung durch einen Sportlehrer oder Fitnesstrainer. Auch genügt es nicht, dass der behandelnde Orthopäde sich gelegentlich bei der Behandlung davon überzeugt, wie sich die Sportausübung auf das Rückenleiden auswirkt, und möglicherweise hin und wieder Ratschläge und Tipps gibt.
Aktuell hat das Finanzgericht Münster die Aufwendungen für ein Rückenmuskeltraining (Ortho-Training) nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Unseres Erachtens ein fragwürdiges Urteil! (FG Münster vom 17.1.2022, 9 K 1471/20 E).
Der Kläger macht Mitgliedsbeiträge und Fahrtkosten für den Besuch des Fitness-Studios „Ortho-Training“ geltend. Er begründet sein Begehren damit, dass er aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen seit Jahren in ärztlich verordneter Weise ein regelmäßiges Kraftwiderstandstraining zur muskulären Stabilisierung seiner Körperrumpfstruktur im Ortho-Training durchführe. Das Muskeltraining sei ärztlich verordnet, es sei orthopädisch indiziert, medizinisch notwendig und zur Stabilisierung der körperlichen Leistungsfähigkeit essentiell notwendig.
Es sei für ihn unumgänglich, eine laufende Muskelstärkung durch ein krankengymnastisches Training, das die Stützfunktion der Rücken- und Körpermuskulatur aufzubauen bzw. zu bewahren helfe, herbeizuführen. Nur durch regelmäßiges Krafttraining könne insoweit die Funktionsfähigkeit des schwer beeinträchtigten Wirbelsäulensystems mit dem zugehörigen Training des Muskelkorsetts gewährleistet werden.
Die zwangsläufige muskuläre Dysbalance aufgrund der Vorerkrankungen könne nur durch gezieltes und von Fachkräften durchgeführtes Einzeltraining behoben und damit eine halbwegs passable Beweglichkeit gewährleistet werden. Beim Ortho-Training handele es sich nicht um ein Fitness- oder Sportstudio. Das Training im Ortho-Training werde nur durch ausgebildete Fachkräfte (Sportlehrer, Physiotherapeuten etc.) durchgeführt. Es handele sich um ärztlich verordnete krankengymnastische Maßnahmen.
Nach Auffassung des Finanzrichters (es ist tatsächlich ein Einzelrichter!) handelt es sich bei den Mitgliedsbeiträgen mitsamt den Fahrtkosten nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um Kosten für vorbeugende oder allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen handelt, die zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG gehören.
Zwar sei das Studio Ortho-Training kein klassisches Fitnessstudio, weil dort das Rückentraining im Vordergrund steht. Doch neben dem (Rücken-)Training an Fitnessgeräten werden im Studio auch weitere Präventionskurse wie „Faszientraining“, „Qigong“ und „Gesund Abnehmen“ angeboten.
Derartige Leistungen werden ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten und gehören grundsätzlich nicht zu den nach § 33 EStG abziehbaren Krankheitskosten, sondern zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten.
Außer ans Finanzamt sollten Sie auch an Ihren Arbeitgeber denken: Fragen Sie ihn nach einer Kostenerstattung. Zuwendungen des Arbeitgebers für gesundheitsfördernde Maßnahmen sind nämlich bis zu 600 Euro im Jahr steuer- und sozialabgabenfrei (§ 3 Nr. 34 EStG). Begünstigt sind nicht nur betriebliche Programme, sondern auch Zuschüsse des Arbeitgebers an die Mitarbeiter, die diese für extern durchgeführte Maßnahmen aufwenden.
Leider ist die Übernahme bzw. Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen an Sportvereine und Fitnessstudios hiernach nicht begünstigt. Und doch bietet sich eine Möglichkeit für einen Steuerbonus: Der Arbeitgeber kann den Mitarbeitern einen Gutschein bis 50 Euro zum Besuch eines Sportvereins oder Fitnessstudios steuer- und sozialversicherungsfrei gewähren. Eine Kostenerstattung wäre hingegen wie Barlohn steuerpflichtig (§ 8 Abs. 1 Satz 3 EStG).