Im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist unter anderem geregelt, dass Erholungsurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss und eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr nur aus dringenden Gründen statthaft ist. Grundsätzlich erlöschen Urlaubsansprüche nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder bis zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte.
- Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – ohne weiteres mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter („15-Monatsfrist„).
- Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch verfallen dürfen, nur weil der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt hat. Denn es liege in der Verantwortung des Arbeitgebers, den Urlaub zu gewähren, und verpflichte ihn zum Nachweis. Erfüllt er diese Pflicht nicht, bleibt der Anspruch auf bezahlte Freizeit bestehen (EuGH-Urteil vom 22.9.2022, C-518/20 und C-727/20).
Aktuell hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Urlaubsansprüche von Mitarbeitern nicht mehr automatisch verfallen und auch nicht automatisch nach drei Jahren verjähren. Das gilt, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten nicht rechtzeitig auffordern, ihren Urlaub zu nehmen und sie vor einer drohenden Verjährung warnen. Das Grundsatzurteil hat Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer in Deutschland, die über offene Urlaubsansprüche streiten, die teilweise Jahre zurückliegen (BAG-Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20).
- Die Informationspflicht des Arbeitgebers gilt auch für Arbeitnehmer, die für lange Zeit erkrankt sind. Ihnen drohte bisher auch für das Jahr ihrer Erkrankung der Verfall von Urlaub 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres. Das gilt nun nicht mehr.
- Nach dem neuen Urteil verjährt Urlaub jetzt nur noch, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten zuvor auch darauf hingewiesen haben, dass ihnen Urlaubstage zustehen, die verfallen könnten.
- Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
- Wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubstage hinweist und in die Lage versetzt, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, verfallen die Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres noch am 31. März des Folgejahres. Auch verjährt der nicht gewährte Urlaub nicht nach Ablauf von drei Jahren.