Rentenbesteuerung: Verfassungsbeschwerde unzulässig

Rentenbesteuerung: Verfassungsbeschwerde wegen Doppelbesteuerung unzulässig
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Im Mai 2021 hatte der Bundesfinanzhof seine beiden Urteile zur möglichen Doppelbesteuerung von Renten veröffentlicht. Das Fazit der Urteile lautete, dass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus berufsständischen Versorgungswerken im Grundsatz nicht zu hoch besteuert werden. Die Systematik der Rentenbesteuerung hält der BFH für rechtens. Eine doppelte Besteuerung zeichne sich erst für spätere Rentnerjahrgänge ab. Zwar könne es Einzelfälle geben, bei denen schon heute eine Doppel- oder Übermaßbesteuerung eintritt. Doch den Nachweis einer solchen Doppel- oder Übermaßbesteuerung müsse der Steuerpflichtige selbst erbringen. Dabei hat der BFH die Anforderungen an einen solchen Nachweis sehr hoch gesetzt (BFH-Urteile vom 19.5.2021, X R 33/19 und X R 20/21).

Die unterlegenen Kläger hatten gegen die beiden Entscheidungen des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und die Finanzverwaltung hatte sich nach einigem Zögern durchringen können, betroffene Steuerbescheide hinsichtlich des streitigen Punktes vorläufig ergehen zu lassen (BMF-Schreiben vom 30.8.2021, V A 3 – S 0338/19/10006 :001)

Aktuell muss leider festgestellt werden, dass das Bundesverfassungsgericht die beiden Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen hat, da sie unzulässig seien. Sie seien nicht substantiiert genug (BVerfG, Beschlüsse vom 7.11.2023, 2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21). Damit ist wahrscheinlich, dass die Vorläufigkeitsvermerke in den Einkommensteuerbescheiden bald aufgehoben werden bzw. in aktuellen Bescheiden nicht mehr erfolgen. Was ist nun zu tun?

Um zunächst auf die Entscheidungen des BFH zurück zu kommen

Der BFH hält die gesetzlichen Übergangsregelungen zur Rentenbesteuerung im Grundsatz für verfassungskonform. Der begrenzte Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen im Erwerbsleben, verbunden mit der nur teilweisen Steuerbefreiung der Renten in der Auszahlungsphase, ist also nach Auffassung des BFH in Ordnung. Zwar könne es im konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen. Diese habe aber in den beiden Urteilsfällen (noch) nicht vorgelegen.

Wenn im Einzelfall eine vermeintliche Doppelbesteuerung gerügt wird, trifft die Beweislast den Steuerpflichtigen. Er sei insbesondere gehalten, dem Finanzamt seine Erwerbsbiographie und seinen Rentenversicherungslauf zu unterbreiten. Zudem trage er die Feststellungslast für die frühere einkommensteuerrechtliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide oder der Rentenversicherungsverläufe. Und letztlich muss der Steuerpflichtige dem Finanzamt die – komplizierte – Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung vorlegen.

 

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Auch wenn den Klägern der Erfolg verwehrt blieb: Sie hatten zumindest einen Sieg für künftige Rentnerjahrgänge errungen. Einerseits werden Altersvorsorgeaufwendungen bereits seit 2023 und nicht erst ab 2025 – im Rahmen der Höchstbeträge – mit 100 Prozent berücksichtigt. Zudem werden die Besteuerungsanteile der Renten, der Versorgungsfreibetrag und der Altersentlastungsbetrag angepasst. Nicht erst in 2040, sondern erst in 2058 soll der Besteuerungsanteil von Renten bei 100 Prozent liegen. Dies sollte übrigens mit dem Wachstumschancengesetz bereits längst beschlossen Sache sein, doch das Gesetz „hängt“ noch im Vermittlungsausschuss.

Die Verfassungsbeschwerden und ihre Ablehnung

Gegen die beiden Entscheidungen des BFH hatten die unterlegenen Kläger im Juni 2021 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Unter anderem verwiesen die Kläger darauf, dass die Berechnungsformel des Bundesfinanzhofs, mit der eine eventuelle doppelte Rentenbesteuerung zu prüfen sei, gegen das so genannte Gebot der Folgerichtigkeit verstoße.

So unterstellt BFH bei seiner Berechnungsformel – zugunsten des Fiskus – unter anderem, dass eine eventuelle Hinterbliebenenrente teilweise unbesteuert bleibt. Wenn eine Doppelbesteuerung der Rente des Ehemanns geprüft wird, wird also eine mögliche Witwenrente einbezogen. Oder anders ausgedrückt: Der BFH geht bei der Berechnung des steuerfreien Teils der Rente nicht nur von der Lebenserwartung des Rentenempfängers, sondern auch seiner Witwe oder des Witwers aus. Die Kläger sind aber der Ansicht, dass eine eventuelle Hinterbliebenenrente nicht einbezogen werden dürfe, denn diese stehe naturgemäß nicht dem Rentner selbst, sondern dem länger lebenden Ehegatten und damit einem anderen Steuerpflichtigen zu.

Doch die Karlsruher Richter sahen dieses Argument als nicht stichhaltig genug an, um die Verfassungsbeschwerden zuzulassen. Die Beschwerdeführer hätten die gerügten Grundrechtsverstöße nicht hinreichend dargelegt. So hätten sie keine Vergleichsgruppen gebildet, zwischen denen eine Ungleichbehandlung bestehen soll. Stattdessen hätten sie sich unmittelbar auf eine Verletzung des Folgerichtigkeitsgebots bezogen. Der bloße Verweis auf das Folgerichtigkeitsgebot entbinde jedoch nicht davon, zunächst eine Ungleichbehandlung darzulegen, sofern diese nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Die Beschwerdeführer hätten auch nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit die Mindestvoraussetzungen ihres menschenwürdigen Daseins tangiert seien.

Was folgt nun und was sollten Betroffene tun?

Die Finanzverwaltung wird zu dem Thema sicherlich bald Stellung nehmen. Es ist wahrscheinlich, dass die Vorläufigkeitsvermerke in den Einkommensteuerbescheiden bald aufgehoben werden und in aktuellen Bescheiden keine Vorläufigkeitsvermerke mehr ergehen werden. Sofern Einsprüche eingelegt wurden, werden die Einspruchsführer wohl bald gebeten, diese zurückzunehmen oder die Einsprüche werden gleich per Allgemeinverfügung zurückgewiesen.

 

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Wer der Ansicht ist, dass eine doppelte Rentenbesteuerung nach den Parametern des BFH eintritt, weil ein entsprechender „Einzelfall“ vorliegt, sollte gegen aktuelle Steuerbescheide aber Einspruch einlegen bzw. vorhandene Einsprüche aufrecht erhalten. Sie müssen jedoch eine konkrete Berechnung vorlegen, die die Doppelbesteuerung aufzeigt. Dem Einspruch müssen im Übrigen geeignete Unterlagen (Versicherungsverlauf, Steuerbescheide, ggf. Steuererklärungen für die Jahre der Einzahlungsphase) beigefügt werden.

Wann liegt eine Doppelbesteuerung überhaupt vor?

Eine doppelte Rentenbesteuerung ist gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse geringer ist als Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Das heißt vereinfacht und recht plakativ:

Wer von seiner Rente im Jahr 20.000 Euro versteuern muss, obwohl seine Beiträge seinerzeit mit nur 15.000 Euro steuerlich berücksichtigt wurden, ist zu hoch belastet. Oder um es noch etwas anderes darzustellen: Sie zahlen 20.000 Euro in einen Rentenvertrag ein, dieser Betrag stammt aus bereits voll versteuertem Einkommen. Der Fiskus lässt 15.000 Euro zum Sonderausgabenabzug zu, so dass 5.000 Euro noch immer als „versteuert“ gelten. 20 Jahre später erhalten Sie exakt 20.000 Euro aus ihrem „eigenen Vertrag“ ausgezahlt. Es leuchtet ein, dass es ungerecht wäre, wenn der Fiskus nun 20.000 Euro – und nicht nur 15.000 Euro – besteuern will. Doch so wirkt das derzeitige System der Rentenbesteuerung zumindest in gewissen Fällen.

Zu denken ist beispielsweise an folgende Fälle, wenn es um eine mögliche Doppel- oder Übermaßbesteuerung von Renten geht:

  • Betroffen sein könnten zum Beispiel Freiberufler, die über mehrere Jahre freiwillig hohe Beiträge (oberhalb des jeweiligen Höchstsatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung) in ihr Versorgungswerk einbezahlt haben, ohne von der so genannten Öffnungsklausel profitiert zu haben. Die Öffnungsklausel erlaubt es unter bestimmten Voraussetzungen, die Rente zu einem gewissen Betrag nur mit dem – niedrigeren – Ertragsanteil zu besteuern.
  • Auch können Personen betroffen sein, die zum Beispiel nach einer Scheidung einmalig einen hohen Beitrag ins Versorgungswerk eingezahlt haben, um ihren Rentenanspruch wieder aufzufüllen.
  • Tendenziell sind im Übrigen Männer – aufgrund ihrer statistisch niedrigeren Lebenserwartung – eher von einer Doppelbesteuerung betroffen als Frauen.
  • Und auch bei Personen, bei denen eine Versorgung von Hinterbliebenen nicht zu erwarten ist, zumeist also bei Ledigen, kann sich eine Doppelbesteuerung tendenziell eher ergeben als bei Verheirateten.
  • Zu prüfen wäre wohl auch der Fall, dass ein Steuerpflichtiger vor einigen Jahren ins Ausland verzogen ist, nunmehr seine Rente (in Deutschland) versteuern muss, von der steuerlichen Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen seit 2005 aber nicht oder nicht hinreichend profitieren konnte.

Doch bei aller Pauschalierung: Letztlich bleibt Rentnern, die eine mögliche Doppelbesteuerung prüfen möchten, nichts anderes übrig, als diese im Einzelfall zu berechnen.

Die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung

Für die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung gilt das Nominalwertprinzip. Es sind – etwas vereinfacht gesprochen – die tatsächlich eingezahlten und begünstigen Vorsorgeaufwendungen mit den später tatsächlich gezahlten und teilweise befreiten Rentenbeträgen zu vergleichen. Weder sind Beträge auf- oder abzinsen noch ist eine Inflation zu berücksichtigen.

Von einigen Experten, aber auch von den Klägern im Verfahren X R 33/19, wurde die Auffassung vertreten, in der Erwerbsphase werden keine Rentenbeträge in Geld, sondern reine Entgeltpunkte erworben. Die tatsächliche Höhe der Rente kristallisiere sich erst viel später heraus. Doch der BFH hat sich nicht in die „Niederungen“ der Finanz- und Versicherungsmathematik begeben, sondern vergleicht eingezahlte mit ausgezahlten Geldbeträgen.

Die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung bleibt aber dennoch schwierig, auch wenn an der Praxis der „Kelch der Finanzmathematik“ vorbeigegangen ist. Es bedarf zwar keiner komplizierten Formeln, aber dennoch sind viele Zahlen zu ermitteln und ins Verhältnis zu setzen. So muss einerseits anhand der Steuerbescheide vergangener Jahre ermittelt werden, in welcher Höhe die Rentenbeiträge steuerlich entlastet wurden und andererseits in welcher Höhe die Renteneinkünfte nun „befreit“ werden. Das heißt, anhand der voraussichtlichen Lebenserwartung nach der so genannten Sterbetafel sind die prognostizierte Rentenhöhe und der steuerfreie Rentenanteil zu berechnen. Eine Doppelbesteuerung liegt vor, wenn die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen. Da kommen viele Faktoren zusammen.

Zum steuerfreien Rentenbezug gehören nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Allerdings ist in der Praxis – und damit auch bei der Berechnung – zu berücksichtigen, dass eine Hinterbliebenenrente gekürzt oder überhaupt nicht gezahlt wird, wenn Witwer oder Witwe eigenes Einkommen beziehen oder bezogen haben, das entsprechend angerechnet wird. Gegebenenfalls ist also nur ein gekürzter Betrag bei der Prüfung einer eventuellen Doppelbesteuerung anzusetzen.

Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Sie dienen anderen – überwiegend verfassungsrechtlich gebotenen und daher für den Gesetzgeber nicht dispositiven – Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt. Das ist ein Punkt zugunsten der Steuerzahler.

Noch ein Wort zur Öffnungsklausel: Haben Steuerpflichtige vor dem 1.1.2005 mindestens zehn Jahre lang Beiträge zur Altersversorgung geleistet, die über den Jahreshöchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung (West) hinausgingen, können sie beantragen, dass die auf diesen Beiträgen beruhende Rente nicht mit dem hohen Besteuerungsanteil, sondern mit dem wesentlich günstigeren Ertragsanteil versteuert wird (sog. Öffnungsklausel nach § 22 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG). Die Auswirkungen der Öffnungsklausel sind bei der Berechnung einer eventuellen Doppelbesteuerung zu berücksichtigen.

 

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