Renten aus Altverträgen vor 2005: Steuerfreiheit in Gefahr?

Renten aus Altverträgen vor 2005: Steuerfreiheit in Gefahr?
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Lebensversicherungen mit Vertragsabschluss vor 2005 genießen steuerliche Vorteile – doch es gibt Streit um die Besteuerung der Rentenzahlungen. Während Kapitalauszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei bleiben, will die Finanzverwaltung Renten aus Altverträgen weiterhin besteuern. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied 2021 zugunsten der Steuerpflichtigen, doch mit dem Jahressteuergesetz 2024 wird dieses Urteil ausgehebelt. Was bedeutet das für Betroffene?

Wann sind Auszahlungen aus Altverträgen steuerfrei?

Kapitalauszahlungen aus Lebensversicherungen mit Vertragsbeginn vor 2005 sind steuerfrei, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Mindestlaufzeit: Der Vertrag bestand mindestens zwölf Jahre.
  • Beitragszahlung: Die Beiträge wurden über mindestens fünf Jahre laufend gezahlt.
  • Todesfallschutz: Der Versicherungsvertrag beinhaltet einen Mindestschutz von 60 % der Beitragssumme.
  • Keine steuerschädliche Verwendung: Der Vertrag wurde nicht für Finanzierungszwecke eingesetzt.

Diese Regelung gilt nicht nur für Kapitallebensversicherungen, sondern auch für Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht.

Das bedeutet: Versicherte können sich entweder für eine einmalige Kapitalauszahlung oder für eine lebenslange Rentenzahlung entscheiden.

Unterschiedliche Besteuerung von Kapital- und Rentenzahlungen

Kapitalwahlrecht ausgeübt:
Wird die Versicherungssumme als Einmalbetrag ausgezahlt, bleibt sie unter den oben genannten Voraussetzungen steuerfrei.

Kapitalwahlrecht nicht ausgeübt:
Entscheidet sich der Versicherte für eine Rentenzahlung, unterstellt die Finanzverwaltung eine Besteuerung mit dem Ertragsanteil gemäß § 22 EStG. Der Ertragsanteil hängt vom Alter des Versicherten zu Rentenbeginn ab:

  • 60 oder 61 Jahre: 22 %
  • 65 Jahre: 18 % (pro weiteres Jahr jeweils 1 Prozentpunkt weniger)

Zusätzlich wird lediglich der Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 Euro berücksichtigt. Der Altersentlastungsbetrag findet hier keine Anwendung (BMF-Schreiben vom 1.10.2009, BStBl. 2009 I S. 1172, Rz. 19).

BFH-Urteil 2021: Rentenzahlungen steuerfrei

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 1.7.2021 (VIII R 4/18), dass Rentenzahlungen aus begünstigten Altverträgen ebenfalls steuerfrei sind. Begründung: Eine steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Kapitalauszahlung und Rentenzahlung sei nicht mit dem Gesetz vereinbar.

Kernpunkte des Urteils:

  • § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 sieht keine unterschiedliche Behandlung zwischen Kapital- und Rentenzahlungen vor.
  • Die Steuerbefreiung hängt allein von der Vertragsart ab, nicht von der Auszahlungsweise.
  • Praktische Erwägungen sprechen gegen eine Aufteilung der Rentenzahlung in steuerpflichtige und steuerfreie Bestandteile.

Allerdings stellte der BFH auch klar, dass Rentenzahlungen nur insoweit steuerfrei sind, wie sie das angesparte Kapital nicht übersteigen. Wer sehr lange lebt und mehr als das eingezahlte Kapital als Rente erhält, könnte später doch steuerpflichtig werden.

Jahressteuergesetz 2024: BFH-Urteil wird ausgehebelt

Trotz des für Steuerzahler positiven BFH-Urteils wenden die Finanzämter dieses nicht an. Die Versicherungsträger melden die Rentenzahlungen weiterhin als steuerpflichtige Einkünfte an die Finanzverwaltung.

Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wird nun eine gesetzliche Änderung eingeführt, die das BFH-Urteil für alle offenen Fälle außer Kraft setzt. Laut Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 20/13419 vom 16.10.2024) bleibt es bei der Ertragsanteilsbesteuerung für Rentenzahlungen aus begünstigten Altverträgen. Das bedeutet: Auch wenn kein Kapitalwahlrecht ausgeübt wurde, werden die Rentenzahlungen weiterhin besteuert.

Was sollten Betroffene mit Renten aus Altverträgen tun?

Steuerpflichtige mit betroffenen Verträgen sollten ihre Steuerbescheide sorgfältig prüfen und gegebenenfalls Einspruch einlegen – unter Berufung auf das BFH-Urteil von 2021.

Langfristig könnten neue Gerichtsverfahren vor dem BFH oder sogar vor dem Bundesverfassungsgericht Klarheit bringen. Besonders kritisch ist die Frage, ob die rückwirkende Gesetzesänderung verfassungskonform ist. Eine endgültige Entscheidung steht jedoch noch aus.

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