Prozesskosten steuerlich absetzen: Bei Existenzgefährdung möglich?

Prozesskosten steuerlich absetzen: Bei Existenzgefährdung möglich?
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Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Prozesskosten bei Zivilverfahren ist stark eingeschränkt. Seit 2013 können sie nur in seltenen Fällen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG abgesetzt werden. Ein steuerlicher Abzug ist möglich, wenn durch den Rechtsstreit die Gefahr besteht, die Existenzgrundlage zu verlieren oder grundlegende Bedürfnisse nicht mehr decken zu können. Lesen Sie, unter welchen Umständen Prozesskosten tatsächlich absetzbar sind und welche aktuellen Urteile dies bestätigen.

Wann Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind

Prozesskosten sind grundsätzlich nur dann absetzbar, wenn es sich um eine existenzbedrohende Situation handelt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist dies der Fall, wenn die Notwendigkeit besteht, rechtliche Schritte zur Sicherung der Existenzgrundlage zu ergreifen. In folgenden Fällen können Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden:

  1. Existenzbedrohende Rechtsstreitigkeiten
    Wenn der Rechtsstreit einen existenziell wichtigen Bereich betrifft, müssen Sie möglicherweise trotz unsicherer Erfolgsaussichten handeln. In solchen Fällen kann eine Zwangslage entstehen, die den Verlust der Existenzgrundlage und damit auch die Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen gefährdet.
  2. Prozesskosten im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Belastungen
    Werden Prozesskosten in einem Streitfall verursacht, der selbst als außergewöhnliche Belastung absetzbar ist, sind die Kosten steuerlich ebenfalls als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Dies gilt beispielsweise bei Prozessen über Krankheits- oder Kurkosten (BFH-Urteil vom 13.4.2010, VIII R 27/08).

Fallbeispiel: Existenzbedrohung durch Rückabwicklungsverfahren

Das Niedersächsische Finanzgericht hat kürzlich Prozesskosten in Höhe von 17.740 EUR als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anerkannt. Hierbei ging es um die drohende Rückabwicklung der unentgeltlichen Übertragung eines Forstbetriebs, welche die Existenzgrundlage des Klägers gefährdete. Ohne entsprechende Verteidigung hätte er seine Einkommensquelle und damit die Möglichkeit zur Deckung seiner Grundbedürfnisse verloren (Urteil vom 15.5.2024, 9 K 28/23, Revision beim BFH anhängig unter VI R 22/24).

Details zum Fall:
Der Kläger hatte im Jahr 2015 einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen und seine Angestelltentätigkeit beendet, um den Betrieb selbstständig weiterzuführen. Die Übergeberin klagte später auf Rückübertragung mit der Begründung, sie sei bei der Übertragung aufgrund Demenz geschäftsunfähig gewesen. Der Kläger wehrte sich, da der Verlust des Forstbetriebs seine Existenzgrundlage massiv gefährdet hätte. Die Finanzrichter sahen die Voraussetzungen für den steuerlichen Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung erfüllt, da der Kläger hauptsächlich aus den Erträgen des Betriebs lebte.

Die Richter argumentierten, dass das Erreichen des steuerlichen Existenzminimums ein Indikator für die Bedrohung der Existenzgrundlage sei. Der Umstand, dass der Kläger möglicherweise wieder eine Angestelltentätigkeit aufnehmen könnte, ändere an der existenziellen Bedrohung nichts, da es für den Verlust der Existenzgrundlage nicht auf eine dauerhafte Existenzvernichtung ankomme.

Einschränkungen und offene Fragen

Gegen das Urteil hat das Finanzamt Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az: VI R 22/24). Diese Entscheidung könnte künftig Klarheit bringen, ob der Begriff „Gefahr für die Existenzgrundlage“ nur auf eine dauerhafte oder auch auf eine vorübergehende Existenzbedrohung anzuwenden ist. Ebenso ist die Definition der „lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen“ weiterhin offen und könnte durch den BFH konkretisiert werden.

Prozesskosten können derzeit nur dann als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn sie existenzielle Grundlagen des Steuerpflichtigen betreffen. Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung bleibt die Anwendbarkeit in vielen Fällen unsicher.

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