Betreuen Sie eine pflegebedürftige Person, zu der Sie eine enge persönliche Beziehung haben, in Ihrer Wohnung oder in deren Wohnung, entstehen Ihnen neben dem aufopferungsvollen Dienst vielerlei Belastungen, die oftmals schwer oder gar nicht zu belegen sind. Für die steuerliche Entlastung können Sie den Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 Euro in Anspruch nehmen. Der Pflege-Pauschbetrag wird nicht um eine zumutbare Belastung gekürzt und auch nicht gemindert, wenn die Pflege nicht während des ganzen Jahres erfolgt.
Voraussetzung ist allerdings, dass Sie für die Pflege keine Einnahmen erhalten (§ 33b Abs. 6 EStG). Zu den schädlichen Einnahmen zählt u. a. das Pflegegeld von der gesetzlichen Pflegeversicherung, wenn es als Vergütung für die Betreuung oder als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson zu werten ist (BFH-Urteil vom 21.3.2002, III R 42/00).
Ist die pflegebedürftige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, bestellt das Amtsgericht einen rechtlichen Betreuer (gemäß § 1896 BGB), der die Tätigkeit oftmals ehrenamtlich ausübt. Dafür erhält er eine jährliche Aufwandspauschale. Sofern der Betreuer trotz Heimunterbringung bestimmte persönliche Dienst- und Hilfsleistungen erbringt, wie Fahrten mit dem Pflegebedürftigen, Arztbesuche, Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl, Vorlesen, Ankleiden bei Ausgängen usw., ist die Frage, ob auch er den Pflege-Pauschbetrag beanspruchen kann.
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein amtlich bestellter Betreuer gemäß § 1896 BGB den Pflege-Pauschbetrag nicht beanspruchen kann, da ihm aus dem Betreuungsverhältnis die Pflege des Betreuten nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 EStG erwächst. Etwas anders könne allenfalls bei einer engen persönlichen Beziehung zum Betreuten gelten (BFH-Urteil vom 4.9.2019, VI R 52/17).
Der Fall: Der Kläger ist seit 2013 zum Betreuer des H bestellt worden. H hat einen Grad der Behinderung von 100 und ist hilflos. Er wohnt in einem Pflegeheim. Der Kläger erklärte geringe steuerfreie Aufwandsentschädigungen bzw. Einnahmen als ehrenamtlicher Betreuer und machte den Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924 Euro geltend. Das Finanzamt lehnte den Ansatz des Pauschbetrages ab. Klage und Revision blieben erfolglos – allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
Das Finanzgericht stellte darauf ab, dass die Aufwandsentschädigung (nach § 1835a BGB) eine schädliche Einnahme gemäß § 33b Abs. 6 EStG darstelle. Dass diese nur 399 Euro betrug, spiele keine Rolle. Darüber hinaus könne der Pflege-Pauschbetrag nicht gewährt werden, weil die Tätigkeit des Betreuers nicht eine Mindestpflegedauer erreicht habe. Im Allgemeinen sei eine Pflege in nicht nur untergeordnetem Umfang, d. h. mit mindestens 10 Prozent des gesamten pflegerischen Zeitaufwandes, erforderlich. Der Betreuer bezifferte seine Pflege auf 2,5 Stunden wöchentlich. Das war im Streitfall – bezogen auf einen Gesamtaufwand von 24,73 Stunden zzgl. 2,5 Stunden – ein Anteil von nur 9,18 Prozent (statt der notwendigen 10 Prozent).
Der BFH hat diese Ansicht des Finanzgerichts abgelehnt. Der Kläger habe die pauschale Aufwandsentschädigung nicht als Einnahme für die Pflege des H bezogen. Einnahmen i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG seien (nur) solche Einnahmen, die der Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege zufließen, sei es als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene Aufwendungen der Pflegeperson. Um solche Einnahmen handele es sich bei der Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a BGB in Höhe von 399 Euro entgegen der Ansicht des FG jedoch nicht. Vielmehr unterscheide sich die Betreuung gemäß §§ 1896 ff. BGB grundlegend von der Pflege i.S. des § 33b Abs. 6 EStG. Der Kläger habe daher keine Einnahmen für die Pflege erhalten, durch die die Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags ausgeschlossen wäre.
ABER: Die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags setzt eine Zwangsläufigkeit voraus. Eine Zwangsläufigkeit aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann. Der Kläger war zunächst weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet, die pflegerischen Maßnahmen gegenüber H zu erbringen. Insbesondere ergäbe sich eine rechtliche Verpflichtung des Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H. Der Kläger war aber auch aus sittlichen Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen verpflichtet. Für die Gewährung des Pflege-Pauschbetrags aufgrund einer sittlichen Verpflichtung müsse eine enge persönliche Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und der gepflegten Person bestehen. Dazu sei aber seitens des Klägers nichts vorgetragen worden.
Der letzte Hinweis des BFH kann als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Rechtliche Betreuer müssen glaubhaft machen, dass eine enge persönliche Beziehung zu dem Betreuten besteht und sie daher zur Pflege aus sittlichen Gründen verpflichtet sind.