Arbeitnehmer und Selbstständige haben eine Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Die Energiepreispauschale ist – von Ausnahmen abgesehen – einkommensteuerpflichtig, unterliegt allerdings nicht der Sozialversicherung. Im Übrigen ist sie bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da die Energiepreispauschale eine staatliche Sozialleistung darstellt. Aber ist die Pauschale pfändbar oder besteht Pfändungsschutz?
Die Antwort des Bundesfinanzministeriums lautet: Die Energiepreispauschale ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der Energiepreispauschale als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich. So steht es in den FAQ des BMF zur Energiepreispauschale (Stand 22.9.2022, Punkt VI.27). Aber: Das Gesagte betrifft nur die Lohnpfändung!
Aktuell hat das Amtsgericht Norderstedt entschieden, dass die Energiepreispauschale pfändbar ist und nach einer Insolvenzeröffnung beschlagnahmt werden darf (AG Norderstedt, Beschluss vom 15.9.2022, 66 IN 90/19).
Der Fall: In 2019 wurde über das Vermögen des Schuldners, einem angestellten Zahnarzt, das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ist bislang nicht beendet worden. Zeitgleich mit der Auszahlung der Energiepreispauschale hat der Schuldner die Freigabe der Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro beantragt. Diese sei aufgrund der Zweckbestimmung (Minderung der Belastungen durch die gestiegenen Energiekosten) gemäß § 851 ZPO unpfändbar.
Er verwies auf die Rechtsprechung des BGH zur Unpfändbarkeit der staatlichen Corona-Hilfen (BGH 10.3.2021, VII ZB 24/20). Doch sein Antrag wurde zurückgewiesen. Das Insolvenzgericht geht davon aus, dass die Energiepreispauschale pfändbar ist, sodass der Antrag grundsätzlich zurückzuweisen sei.
Begründung: Regelungen zur (Un)Pfändbarkeit der Energiepreispauschale habe der Gesetzgeber nicht geschaffen, was nach Wahrnehmung des Gerichts in der Vollstreckungspraxis zu spürbarer Unsicherheit bei Schuldnern, deren Beratern, Arbeitgebern und deren Beratern sowie bei Insolvenzverwaltern führt. Auch lasse sich nach Einschätzung des Gerichts aus dem Gesetzesentstehungsvorgang (insb. BT.-Drucks. 20/1765) keine Befassung mit der Frage der (Un) Pfändbarkeit der Energiepreispauschale entnehmen.
- Dass die Energiepreispauschale nicht als Arbeitslohn betrachtet wird (selbst wenn sie als solcher besteuert wird), sei nachvollziehbar. Daher unterfalle sie nach Ansicht des Gerichts auch nicht der Lohnpfändung. Das helfe aber nur bedingt weiter. Zwar bestünde Klarheit für eine im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung ausgebrachte Lohnpfändung, die also keine Abführungspflicht des Drittschuldners an den Gläubiger auslöst. Anders sei die Sachlage aber im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahren zu beurteilen. Hier umfasse der Insolvenzbeschlag gemäß §§ 35 Abs.1, 36 Abs.1 InsO alle – auch künftigen – pfändbaren Beträge.
- §§ 850 ff. ZPO (Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen) finde keine Anwendung, weil diese Vorschriften grundsätzlich voraussetzen, dass Arbeitseinkommen des Schuldners vorliegt. Die Energiepreispauschale ist aber kein Arbeitseinkommen.
- Auch § 850i ZPO dürfe keine Anwendung finden. Dieser lasse zwar auch Freigaben bezüglich solcher Einnahmen des Schuldners zu, die kein Arbeitseinkommen sind, setzte aber voraus, dass die Einnahmen vom Schuldner eigenständig, etwa aus kapitalistischer Tätigkeit, also durch Handeln des Schuldners erwirtschaftet werden. So sollte der Schuldner motiviert werden, Einkünfte selber zu erzielen. Die Energiepreispauschale werde jedoch ohne jegliches Zutun des Schuldners ausgezahlt, mithin nicht vom Schuldner „erwirtschaftet“.
- Die Energiepreispauschale komme aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung am ehesten einer (vorzeitigen) Steuererstattung gleich. Der Staat verzichte auf einen Lohnsteueranteil, wodurch eine Auszahlung an den Bürger generiert werden kann. Steuererstattungsansprüche seien gemäß § 46 Abs.1 AO grundsätzlich pfändbar. Auch diese Betrachtung führe daher zu der Annahme, dass die Energiepreispauschale pfändbar ist und kein Pfändungsschutz besteht.
- Der Fall der Zahlung der Energiepreispauschale sei nicht mit den Corona-Hilfen vergleichbar. Insbesondere sei die Einsetzbarkeit der Mittel – wie im Falle der Corona-Soforthilfe – nicht beschränkt worden. Im Gegenteil, es stunde dem Schuldner frei zu entscheiden, wofür er die Energiepreispauschale ausgibt. Er könne sich z. B. dazu entscheiden, sie in Altschulden, Dinge des täglichen Bedarfs oder aber auch Luxusgüter zu investieren. Es gäbe keine Beschränkung und auch keine Rückzahlungsverpflichtung bei nicht zweckentsprechendem Gebrauch.
1. Die Frage der (Un-)Pfändbarkeit der Energiepreispauschale wird auch die Vollstreckungsgerichte im Rahmen von Kontofreigabeanträgen beschäftigen, wenn die Energiepreispauschale auf das Pfändungsschutzkonto von Schuldnern ausgezahlt wurde und dort der vorgemerkte unpfändbare P-Konto-Betrag überschritten wird. Darauf weist das AG Norderstedt in seinem Beschluss hin. Das Thema wird uns also noch lange beschäftigen.
2. Der aktuelle Beschluss des AG Norderstedt betrifft nur die Energiepreispauschale für Arbeitnehmer und Selbstständige. Bei der in Kürze ausgezahlten Energiepreispauschale für Rentner ist die Unpfändbarkeit (Pfändungsschutz) ausdrücklich im Gesetz verankert.
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 ist geplant, die Energiepreispauschale doch als unpfändbar einzuordnen. Es muss aber abgewartet werden, in welcher Form das JStG 2022 verabschiedet wird, da möglicherweise der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Zudem dürfte fraglich sein, ob die Änderung Rückwirkung entfalten kann, denn sie würde die Gläubiger – rückwirkend – benachteiligen.