Immer mehr Banken versenden Briefe an ihre Bestandskunden, in denen sie „gemeinsam die optimale Lösung finden“ wollen, doch tatsächlich geht es um die Vereinbarung eines Verwahrentgelts. Seit etlichen Jahren zahlen Banken ihren Kunden schon keine Zinsen mehr auf Sparguthaben oder sonstige Einlagen. Und jetzt wollen sie die Getreuen auch noch mit Negativ- bzw. Strafzinsen belasten und nennen dies ein verniedlichend „Verwahrentgelt“. Offenbar verlangen mittlerweile über 555 Kreditinstitute Negativzinsen im Privatkundengeschäft.
Im Schreiben einer Bank – der Sparkasse Rhein Neckar Nord – hieß es beispielsweise: „Früher konnten wir Zinsen für Ihr Kontoguthaben zahlen, da wir selbst Zinsen dafür erhielten. Heute müssen wir dafür bezahlen, wenn wir Geld bei der EZB parken“. Wie bitte!? Ist es tatsächlich so, dass die Banken heute keine Zinsen mehr bekommen? Der Geschäftszweck ist doch nicht das Parken der Kundengelder bei der EZB, sondern unverändert das Ausleihen der Kundengelder, z.B. an Häuslebauer, Betriebe, Konsumenten. Gewiss sind die Kreditzinsen und damit die Einnahmen enorm gesunken, doch andererseits erhalten die Banken die Kundengelder seit Jahren vollkommen kostenlos, haben ihre Gebühren angehoben und ihre Leistungen stark eingeschränkt.
Im Oktober 2021 hat das Landgericht Berlin eine entsprechende Klausel der Sparda-Bank Berlin zum Verwahrentgelt für unwirksam erklärt und die Bank verpflichtet, alle zu Unrecht kassierten Beträge zurück zu zahlen. Die Verwahrung von Einlagen auf dem Girokonto sei keine Sonderleistung, für die die Bank ein gesondertes Entgelt verlangen dürfe. Denn ein Girokonto ohne das Verwahren von Geld könne schlicht nicht betrieben werden. Zudem sei für die Einlagenverwaltung laut Darlehensrecht die Bank als Darlehensnehmer zur Zinszahlung verpflichtet. Zwar könne der Einlagenzinssatz auf Null sinken, aber niemals ins Minus rutschen. Dem Kunden müsse mindestens der Betrag bleiben, den er eingezahlt habe – so das Gericht (LG Berlin vom 28.10.2021, 16 O 43/21).
Auch das Landgericht Tübingen hält einen Negativzins der Bank für unwirksam. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen könne nicht nachträglich bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank eine Entgeltpflicht für den Kunden eingeführt werden, die es weder im Darlehensrecht noch beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gebe (LG Tübingen vom 26.1.2018, 4 O 187/17).
Ebenso hat das Landgericht Tübingen entschieden, dass die Erhebung von Negativzinsen im Wege eines Preishaushangs bei Einlagen auf einem Girokonto, für welches bereits Kontoführungsgebühren erhoben werden, zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kapitalgebers führe (LG Tübingen vom 25.5.2018, 4 O 225/17).
Aktuell hält auch das Landgericht Düsseldorf ein zusätzliches Verwahrentgelt bei Girokonten für unzulässig und mit wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung für unvereinbar. Banken und Sparkassen dürfen für die Verwahrung von Einlagen auf Girokonten keine Negativzinsen erheben. Die Strafzinsen-Klauseln in den Banken-AGB sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (LG Düsseldorf vom 22.12.2021, 12 O 34/21).
Der Fall: Die Volksbank Rhein-Lippe hatte im April 2020 für Neukunden ein Verwahrentgelt eingeführt. Für Einlagen über 10.000 Euro verlangt die Bank seitdem ein Entgelt von 0,5 Prozent pro Jahr. Gegen die entsprechende Klausel im Preisaushang hatte die Verbraucherzentrale des Bundesverbands (vzbv) geklagt.
Die Düsseldorfer Richter entschieden, dass ein Kreditinstitut neben Kontoführungsgebühren nicht noch zusätzlich ein Verwahrentgelt berechnen darf. Geld zu verwahren gehöre zu den vereinbarten Zahlungsdienstleistungen eines Girovertrags. Es sei keine zusätzlich angebotene Sonderleistung, die Kunden wählen können oder nicht. Durch ein zusätzliches Verwahrentgelt müssten diese für eine einheitliche Leistung eine doppelte Gegenleistung erbringen.
Das Gericht entschied des Weiteren: Damit der vzbv die Erstattung der rechtswidrig erhobenen Entgelte durchsetzen kann, muss die Sparkasse die Namen und Anschriften der Betroffenen und die Höhe der Entgelte dem vzbv oder einem Angehörigen eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufs übermitteln. Den Antrag der Verbraucherschützer, die Sparkasse bereits in diesem Verfahren zur Erstattung der Beträge zu verurteilen, lehnten die Richter aus formalen Gründen ab. Sie ließen aber keinen Zweifel daran, dass der Erstattungsanspruch des vzbv dem Grunde nach besteht.
Wieder ein Etappensieg. Mit dieser erfreulichen Entscheidung ist die Rechtslage aber noch nicht abschließend geklärt. Nun wird der Bundesgerichtshof entscheiden müssen, ob und wann Negativzinsen überhaupt zulässig sind.