Heute entscheiden sich immer mehr Paare dafür, getrennt zu wohnen, Freiraum und Autonomie zu genießen, aber doch gemeinsam zu leben. „Living Apart Together“ – d.h. „getrennt zusammen leben“ – heißt das Lebensmodell, das besonders in den Städten immer beliebter wird. Nach einer repräsentativen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung lag im Jahre 2006 der Anteil der Paare, der in getrennten Haushalten lebt, bei 13,4 Prozent. Fast jedes sechste Paar in Deutschland leistet sich inzwischen den Luxus von zwei Wohnungen.
Wenn also die Eheleute räumlich getrennt voneinander leben, ist die Frage, ob sie dann steuerlich noch die Zusammenveranlagung wählen können oder ob für sie nur die Einzelveranlagung in Betracht kommt. Da die Lebensform „Living Apart Together“ in Finanzamtsstuben noch nicht so bekannt ist, meinen viele Finanzbeamte, dass ein dauerndes Getrenntleben vorliegt und verweigern die beantragte Zusammenveranlagung.
Aktuell hat das Finanzgericht Münster gegen das Finanzamt entschieden, dass „getrennt zusammenlebende“ Eheleute trotz langjähriger räumlicher Trennung die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung erfüllen können. Und zwar dann, wenn die Eheleute trotz der räumlichen Trennung ihre Lebensgemeinschaft in Form der persönlichen und geistigen Gemeinschaft aufrechterhalten, z.B. sexuelle Kontakte haben, sich wechselseitig besuchen, gemeinsame Ausflüge und Urlaube machen, viel Zeit miteinander verbringen, Ausgaben für Haushalt und Kin-der gemeinsam bestreiten, Ausgaben zur Wirtschaftsgemeinschaft unkompliziert untereinander ausgleichen.
Die Tatsache, dass die Eheleute ihr Einkommen und Vermögen grundsätzlich getrennt haben, steht einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht entgegen. (FG Münster vom 22.2.2017, 7 K 2441/15)
Der Fall: Die Eheleute sind seit 1991 verheiratet und haben einen im selben Jahr geborenen Sohn. Im Jahr 2001 zog die Ehefrau mit dem Sohn aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zunächst in eine Mietwohnung und später in eine Eigentumswohnung. Für das Streitjahr 2012 gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht mehr vorlägen und veranlagte die Ehegatten nunmehr einzeln zur Einkommensteuer.
Ob Eheleute dauernd getrennt leben, ist – so die Finanzrichter – anhand des Gesamtbildes der gegenseitigen Beziehungen im konkreten Einzelfall zu würdigen. Dabei sei auch die innere Einstellung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidungserheblich. Leben Ehegatten für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt und halten sie die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, so kann dies – ggf. zusammen mit anderen Umständen – dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist.
Die Feststellungslast für die Voraussetzung des nicht dauernden Getrenntlebens trifft die Ehegatten, die sich zu ihren Gunsten hierauf berufen. Die Zusammenveranlagung mit dem Splittingtarif bringt umso mehr Vorteile, je unterschiedlicher die Einkommen der Eheleute sind. Verdienen beide gleich gut, bringt das Ehegattensplitting nichts.
Deshalb sollten Eheleute Zusammenveranlagung nur beantragen, wenn ihre Einkommen unterschiedlich hoch sind.