Kontenspionage: Heimliche Kontenabrufe im Jahre 2017 auf neuem Rekordstand

Kontenspionage: Heimliche Kontenabrufe im Jahre 2017 auf neuem Rekordstand
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Mit Hilfe der automatisierten Kontenschnüffelei können die Behörden heimlich, still und leise feststellen, wer wo wie viele Konten und Depots hat, wann die Konten eröffnet und geschlossen wurden. Davon erfahren die betroffenen Bürger und Banken nichts. Nicht ersichtlich sind jedoch Kontenstände und Kontenbewegungen. Dafür muss gezielt bei den betreffenden Banken nachgefragt werden.

Bei den Kontenabrufen sind zwei Formen und Wege zu unterscheiden:

  • Steuerliche Kontenabrufe: Finanz- und Sozialbehörden können Kontenanfragen über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) starten (§ 93 Abs. 7 und 8 AO). Seit 2013 dürfen ebenfalls Gerichtsvollzieher und seit dem 1.7.2013 auch Jugendämter diesen Weg nutzen. Und seit dem 6.7.2017 ist dies auch den Vollstreckungsbehörden von Bund und Ländern erlaubt.
  • Strafrechtliche Kontenabrufe: Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften dürfen ebenfalls Konten und ihre Besitzer aufspüren und nutzen dazu den Weg über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Auch die Steuerfahndungen der Finanzämter und die Zollfahndungsstellen gehen über die BaFin (§ 24c KWG).

Aktuell ist – wie bereits in allen Vorjahren – erneut von einem Rekord bei den Kontenabfragen für das Jahr 2017 zu berichten: Finanzämter und Sozialbehörden einschließlich Gerichtsvollzieher und Jugendämter haben im vergangenen Jahr so viele heimliche Kontenabfragen gestartet wie noch nie zuvor – insgesamt 692.166 (Vorjahr: 358.228). Dies ist nahezu eine Verdoppelung!

Doch selbst dieser unrühmliche Rekord ist noch nicht die ganze Wahrheit: Zusätzlich zu den Kontenabfragen der Finanz- und Sozialbehörden haben Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll- und Steuerfahndung weitere 136.845 Kontenabrufe vorgenommen. Insgesamt sind dies 829.011 Kontenabfragen (Vorjahr: 495.412). Das heißt: Jeden Arbeitstag wurden durchschnittlich rund 3.800 Bürger ausgeforscht!

Das automatisierte Kontenabrufverfahren ist ein hervorragendes Beispiel für das sog. Honigtopfprinzip: Wenn erst einmal ein Verfahren technisch installiert ist und die hoheitlichen Zugriffsbefugnisse zunächst schamhaft eng begrenzt sind, dauert es nicht lange, bis der Kreis der Zugriffsberechtigten immer weiter und schamloser ausgedehnt wird. Gleichzeitig entfernt sich oftmals auch die Verwendung der abgefragten Daten immer weiter von dem eigentlichen Zweck, für den der Zugriff originär eingerichtet wurde.

  • Das Kontenabrufverfahren wurde unter dem Einfluss der Terroranschläge in den USA (11.9.2001) zum 1. April 2003 eingeführt, um die Finanzierung des Terrors auszutrocknen und um die Geldwäsche zu bekämpfen. Die Banken wurden verpflichtet, Dateien mit allen Konten und Depots ihrer Kunden einzurichten, auf die nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Zugriff haben sollte. Und die BaFin sollte damals die Daten ausschließlich an gesetzlich genau bestimmte Stellen weitergeben dürfen, und zwar an Aufsichtsbehörden, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Jedenfalls gehörten die Finanzbehörden explizit nicht zu den Auskunftsberechtigten – nicht einmal im Steuerstrafverfahren! (BT-Drucksache 14/8017 vom 18.1.2002, S. 123).
  • Aber kaum war das Datenabrufsystem mit rund 500 Millionen Konten installiert und funktionierte, machte sich ab April 2005 auch der Fiskus dieses Instrument zunutze! Dazu bedurfte es nur einer klitzekleinen Gesetzesänderung – und schon war den Finanzämtern der Datenzugriff über das Bundeszentralamt für Steuern für Steuerzwecke und über die BaFin für Strafverfahren erlaubt (§ 93b Abs. 1 AO). Seitdem steigt die Zahl der Zugriffe Jahr für Jahr in zunehmendem Maße.
Kontenabrufe im Jahr 2017

Kontenabrufe im Jahr 2017

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