Viele Katholiken – und auch viele Protestanten – bewegt die Frage: Kann man aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten und dennoch weiterhin Mitglied in der Kirche als Glaubensgemeinschaft bleiben? Kann man also gläubiges Mitglied der Kirche sein, ohne Kirchensteuer bezahlen zu müssen?
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahre 2012 die Frage klar beantwortet: Man kann nicht aus der Kirche als Institution austreten, keine Kirchensteuern zahlen und dennoch aktives Mitglied der Glaubensgemeinschaft bleiben. Der Kirchenaustritt kann nicht auf die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ beschränkt werden. Ein reiner „Kirchensteueraustritt“ ist also nicht zulässig. Aus der Kirche kann man nur ganz oder gar nicht austreten (BVerwG-Urteil vom 26.9.2012, 6 C 7.12).
Wenn man also dem Zwang der Kirchensteuer entgehen möchte, verliert man nicht nur die Kirchenmitgliedschaft, sondern muss auch die „derzeitige Religionsausübung“ beenden. Dies sei – so die Auffassung eines Bürgers – mit dem Grundrecht auf ungestörte Religionsausübung nicht vereinbar.
Aktuell hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Kirchensteuerpflicht nicht gegen die verfassungsrechtlich geschützte Glaubensfreiheit und das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung verstößt, weil die Kirchensteuerpflicht durch Beendigung der Kirchenmitgliedschaft abgewendet werden kann (OVG Rheinland-Pfalz vom 1.2.2016, 6 A 10941/15.OVG).
- Die Kirchensteuer werde nicht vom Bundesland erhoben, sondern von den katholischen Diözesen oder evangelischen Landeskirchen aufgrund ihrer Kirchensteuerordnungen. Lediglich die Verwaltung der Kirchensteuern sei den Landesfinanzbehörden übertragen worden.
- Soweit mit einer Beendigung der Kirchenmitgliedschaft Einschränkungen der aktiven Teilnahme am kirchlichen Leben verbunden seien, würden sie ebenfalls nicht vom beklagten Land festgelegt, sondern allenfalls im Verantwortungsbereich des Bistums.
- Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen könne die Erklärung des Kirchenaustritts nicht auf die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränkt werden. Der Staat müsse den Austritt aus der Religionsgemeinschaft und damit die Beendigung der Mitgliedschaft in ihr zur Voraussetzung dafür machen, dass ihre Wirkungen im staatlichen Bereich nicht eintreten.
Für Katholiken hat die Deutsche Bischofskonferenz am 20.9.2012 ein „Allgemeines Dekret zum Kirchenaustritt“ veröffentlicht. Mit dem Dekret wird klargestellt, dass im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz ein ziviler Kirchenaustritt als förmliche Distanzierung von der Kirche eine schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft darstellt und für jeden, der auf diese Weise auf Distanz zur Kirche geht, die aktive Teilnahme am kirchlichen Leben eingeschränkt ist.
Festgelegt wird, dass ein Kirchenaustritt nicht partiell erfolgen kann. Es sei nicht möglich, eine „geistliche Gemeinschaft Kirche“ von der „Institution Kirche“ zu trennen. Ein Austritt nur aus der „Institution“ sei nicht möglich.
Mit dem Dekret wird die bislang in Deutschland praktizierte Austrittsregelung in einem wesentlichen Punkt geändert: Anders als bisher wird der Ausgetretene nun nicht mehr automatisch exkommuniziert. Wenngleich sich der Verlust der Mitgliedsrechte in den praktischen Folgen kaum von der Exkommunikation unterscheidet, so hat er aber doch einen anderen theologischen Stellenwert. Neu ist ferner, dass kirchliche Ehe und kirchliches Begräbnis für Ausgetretene nicht mehr gänzlich ausgeschlossen sind.
Auch das Sakrament der Krankensalbung kann der Ausgetretene jetzt zumindest in der Todesgefahr noch empfangen. Was die Kirche dem Ausgetretenen nicht nehmen kann, ist die Gnade der Taufe. Die Taufe macht den Menschen zum Christen, nicht die Kirchensteuerzahlung. Wer einmal getauft ist, bleibt für immer getauft, selbst wenn er der Kirche den Rücken zukehrt.