Auch für volljährige Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, gibt es bis zum 25. Lebensjahr Kindergeld. Allerdings ist entscheidend, ob es sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt. Denn für die Zweitausbildung besteht nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn nebenher keine Erwerbstätigkeit oder eine Tätigkeit von weniger als 20 Wochenstunden ausgeübt wird. Eine so genannte mehraktige Berufsausbildung gilt indes als Teil einer einheitlichen Erstausbildung.
Vereinfacht gesagt bedeutet dies:
Wenn das Berufsziel des Kindes erst mit der zweiten „Ausbildung“ erreicht wird, gilt diese noch als Teil der Erstausbildung und es gibt Kindergeld auch dann, wenn das Kind nebenher arbeitet. Dazu muss ein enger – sachlicher und zeitlicher – Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten vorliegen.
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Studium dann als Zweitausbildung gilt, wenn es berufsbegleitend erfolgt und nicht die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes bildet. Es wird also kein Anspruch auf Kindergeld begründet, wenn nur von einer berufsbegleitenden Weiterbildung auszugehen ist, da bereits die Berufstätigkeit im Vordergrund steht und der weitere Ausbildungsgang nur neben dieser durchgeführt wird.
Diese leider recht strenge Sichtweise des BFH wird wohl bei vielen Eltern zum Verlust oder zur Versagung des Kindergeldes führen (BFH-Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18).
Der Fall: Die Tochter der Klägerin beendete ihr duales Studium der Betriebswirtschaftslehre erfolgreich mit dem Abschluss Bachelor of Arts. Im Zeitpunkt des Studienabschlusses war sie 22 Jahre alt. Mit ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb vereinbarte sie ein kurz darauf beginnendes Vollzeitarbeitsverhältnis. Etwa zeitgleich begann die Tochter ein fünfsemestriges Masterstudium im Studiengang Wirtschaftspsychologie. Die Vorlesungen fanden abends und teilweise auch am Samstag statt.
Die Familienkasse lehnte eine weitere Kindergeldfestsetzung ab Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Tochter mit dem Bachelorabschluss bereits ihre Erstausbildung abgeschlossen habe und während des Masterstudiums einer zu umfangreichen und damit den Anspruch auf Kindergeld ausschließenden Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage zwar statt. Letztlich unterlag die Mutter aber vor dem BFH.
Dessen Begründung lautet: Zwar können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammenzufassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufs-sparte) zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung muss jedoch von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung abgegrenzt werden.
Für diese Abgrenzung kommt es darauf an, ob nach Erlangung des ersten Abschlusses weiterhin die Ausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt oder ob bereits die aufgenommene Berufstätigkeit im Vordergrund steht. Als Anzeichen für eine bloß berufsbegleitend durchgeführte Weiterbildung kann sprechen, dass das Arbeitsverhältnis zeitlich unbefristet oder auf mehr als 26 Wochen befristet abgeschlossen wird und auf eine vollzeitige oder nahezu vollzeitige Beschäftigung gerichtet ist.
Ebenso deutet der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis den erlangten ersten Abschluss erfordert, auf eine Weiterbildung im bereits aufgenommenen Beruf hin. Zudem spielt auch eine Rolle, ob sich die Durchführung des Ausbildungsgangs an den Erfordernissen der Berufstätigkeit orientiert (z.B. Abend- oder Wochenendunterricht). Da insoweit noch weitere Feststellungen erforderlich waren, wies der BFH die Sache zur erneuten Prüfung an das FG zurück.
Kürzlich hatte auch das Finanzgericht Münster zuungunsten der Eltern entschieden. Ein Ausbildungsgang zum AOK-Betriebswirt, der nach Abschluss der Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten aufgenommenen wird, sei nicht mehr Teil einer mehraktigen Berufsausbildung (Urteil vom 13.12.2018, 3 K 577/18 Kg).
Der Fall: Der volljährige Sohn der Klägerin bestand im Juni 2013 die Prüfung zum Sozialversicherungsfachangestellten. Im Folgemonat nahm er erfolgreich an einem Potenzialanalyseverfahren der AOK teil, woraufhin er im Oktober 2014 den betriebsinternen Studiengang zum AOK-Betriebswirt neben einer Vollzeitbeschäftigung bei der AOK aufnahm. Nach den Zulassungsrichtlinien kann hiermit frühestens ein Jahr nach der Prüfung zum Sozialversicherungsfachangestellten begonnen werden. Der Studiengang ist staatlich nicht anerkannt und kann auch nicht im Rahmen anderer staatlich anerkannter Studiengänge angerechnet werden.
Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin ab Oktober 2014 ab, weil der Sohn bereits eine Ausbildung abgeschlossen habe. Das Gericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Ein Kindergeldanspruch bestehe nicht, weil der Sohn der Klägerin einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgegangen sei und eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen habe. Der AOK-interne Studiengang zum AOK-Betriebswirt sei bereits deshalb nicht Teil einer mehraktigen erstmaligen Berufsausbildung, weil er nicht staatlich anerkannt und ohne die Beteiligung staatlicher Stellen konzipiert worden sei.
Bei einer mehraktigen Berufsausbildung sei es erforderlich, dass der zweite Abschnitt nach Abschluss einer öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildung ebenfalls im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsganges stattfinde. Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Betroffene Eltern sollten gegen ablehnende Bescheide der Kindergeldkasse Einspruch einlegen.
Doch es gibt auch – noch – positive Entscheidungen:
Derzeit sind beim Bundesfinanzhof zwei Verfahren unter den Aktenzeichen III R 69/18 und III R 72/18 anhängig, in denen es ebenfalls um „mehraktige Berufsausbildungen“ geht. Hier hatten die Vorinstanzen jeweils zugunsten der Eltern wie folgt geurteilt:
- Eine weiterführende Ausbildung in Form eines Masterstudiums kann noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (FG Münster 31.10.2018, 7 K 1015/18 Kg).
- Bei der von vornherein angestrebten Weiterbildung einer Industriekauffrau zur Betriebswirtin (B.A.) im Rahmen eines bereits vor der kaufmännischen Prüfung begonnenen berufsbegleitenden Studiums handelt es sich noch um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung. Der Kindergeldanspruch wird nicht durch die Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen. Der notwendige enge Zusammenhang liegt auch dann vor, wenn die für die Aufnahme des Bachelorstudiums vorausgesetzte Berufstätigkeit in der teilweise während des Studiums absolvierten kaufmännischen Ausbildung besteht (FG Düsseldorf 7.11.2018, 7 K 1532/18 Kg).
Inwieweit die beiden letztgenannten Entscheidungen vor dem BFH Bestand haben werden, wird sich noch zeigen. Zumindest im zweiten Fall scheinen die Erfolgsaussichten nicht sehr groß zu sein.