Die Besteuerung von Anteilen an Investmentfonds kann ziemlich kompliziert sein, vor allem, wenn die Anteile vor dem 1.1.2018 angeschafft wurden. Dieses Datum ist besonders relevant, weil Anfang 2018 das neue Investmentsteuergesetz in Kraft getreten ist. Dieses soll zwar für eine – angebliche – Vereinfachung sorgen, aber zumindest bringt es Übergangsprobleme mit sich, da fiktive Übergangsgewinne anfallen können.
Ursache: Um auf Anlegerebene einen einheitlichen Übergang auf das neue Besteuerungsrecht zu schaffen, wurde für Investmentanteile, die vor dem 1.1.2018 angeschafft wurden, eine Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion eingeführt: Alle Investmentanteile, die vor 2018 angeschafft wurden, galten zum 31.12.2017 als veräußert und zum 1.1.2018 als neu angeschafft. Als Veräußerungserlös galt grundsätzlich der letzte im Kalenderjahr 2017 festgesetzte Rücknahmepreis.
Die Veräußerungsfiktion führte nicht zu einer sofortigen Besteuerung der Veräußerungsgewinne oder -verluste. Die Fiktion sorgte lediglich dafür, dass die steuerliche Bemessungsgrundlage einheitlich für alle Anleger zum 31.12.2017 nach den bis dahin geltenden Regeln festgestellt und vermerkt wurde. Zu versteuern ist der Gewinn oder Verlust erst in dem Jahr, in dem der Alt-Anteil tatsächlich veräußert wird. Das Prinzip der „fiktiven Veräußerung“ kann allerdings seltsame Ergebnisse zutage fördern.
Angenommen, ein Anleger hat einen Anteil im Jahr 2015 für 100 erworben und dieser Anteil notierte am 31.12.2017 bei 150, so war ein fiktiver Veräußerungsgewinn von 50 zu erfassen, der jedoch zunächst unbesteuert blieb. Weiter angenommen, der Anteil wird in 2022 für 80 veräußert, so hat der Anleger unterm Strich einen Verlust aus der Anlage von 80 ./. 100 = 20 erzielt. Nun kommt aber folgende Berechnung:
Seit dem 1.1.2018 greift die so genannte Teilfreistellung für Gewinne und Verluste:
- Die Teilfreistellung bzw. der steuerfreie Anteil richtet sich nach der Art des Fonds: Bei Aktienfonds bleiben für Privatanleger 30 Prozent steuerfrei. Auch von Verlusten werden diese 30 Prozent abgezogen.
- Für unseren Fall bedeutet dies: Auf der einen Seite steht zunächst der fiktive Veräußerungsgewinn von 50; für diesen „Altgewinn“ gibt es keine Teilfreistellung. Auf der anderen Seite steht der Veräußerungsverlust aus der tatsächlichen Veräußerung. Dieser wird wie folgt ermittelt: Verkaufspreis 80 ./. fiktiver Anschaffungswert 150 = ./.70. Dieser Wert wird nun um die Teilfreistellung von 30 Prozent gekürzt, so dass ./. 49 verbleiben.
- Zu versteuern sind der fiktive Veräußerungsgewinn von 50 abzüglich des Verlustes von 49. Also ist ein Gewinn von 1 zu versteuern, obwohl tatsächlich ein Verlust entstanden ist.
Dieses Ergebnis ist sehr merkwürdig und so ist es nicht verwunderlich, dass entsprechende Besteuerungen angefochten werden.
Aktuell hat das Finanzgericht Köln aber entschieden, dass die Besteuerung von fiktiven Veräußerungsgewinnen nach dem Investmentsteuerreformgesetz zulässig ist (FG Köln, Urteil vom 8.9.2022,15 K 2594/20). Nach Auffassung der Richter ist die besondere Art der Besteuerung auch dann rechtmäßig, wenn ein Veräußerungsgewinn bei wirtschaftlicher Betrachtung überproportional mit Einkommensteuer belastet oder ein entstandener Veräußerungsverlust wie ein Gewinn besteuert werde.
- Mit dem Investmentsteuerreformgesetz habe der Gesetzgeber einen Systemwechsel in der Fondsbesteuerung vollzogen und die Investmentbesteuerung ab dem Jahr 2018 grundlegend neu konzipiert. Zugleich seien Übergangsregelungen für nach alter Rechtslage angeschaffte Fondsanteile geschaffen worden. Die Übergangsregelung könne zwar zu einer Besteuerung führen, die von der wirtschaftlichen Betrachtung abweicht. Dies müsse aber hingenommen werden. Die Übergangseffekte seien zwangsläufige Folge des Systemwechsels, die insbesondere durch die gesetzgeberisch verfolgten Besteuerungs- und Vereinfachungszwecke gerechtfertigt seien.
- Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass es auch zu einer Nichtversteuerung tatsächlich erzielter Gewinne kommen kann.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Az. VIII R 15/22 beim Bundesfinanzhof vorliegt. Bitte beachten Sie, dass das oben genannte Beispiel sogar noch vereinfacht wurde.
Tatsächlich kann der fiktive Veräußerungsgewinn für die Zeit bis zum 31.12.2017 deutlich höher sein, denn auch die akkumulierten Erträge und Zwischengewinne etc. aus vor dem 1.1.2018 erworbenen Anteilen sind zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung oder bei Rückgabe der Investmentanteile zu versteuern, soweit diese noch nicht dem Steuerabzug unterlagen.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es für Fondsanteile, die vor 2009 angeschafft wurden, weitere Besonderheiten gibt. Wertzuwächse ab dem 1.1.2018 bleiben für diese besonderen Altanteile bis zu 100.000 Euro steuerfrei.