Wer ein Grundstück von einem Bauunternehmen kauft und sich von diesem ein Haus darauf errichten lässt, muss Grunderwerbsteuer zahlen – und zwar auf den Grundstückspreis und auf die Baukosten! Nach der BFH-Rechtsprechung stellen Kauf des Grundstücks und Bau des Hauses ein „einheitliches Vertragswerk“ dar, wenn der Bauerrichtungsvertrag in zeitlichem Zusammenhang mit dem Kaufvertrag abgeschlossen wird, auch wenn zwei getrennte Verträge vorliegen oder die Hausplanung vom Erwerber gestaltet wird.
Die Einbeziehung der Bauleistungen in die Grunderwerbsteuer führt zu einer steuerlichen Mehrfachbelastung: erstens durch die anfallende Umsatzsteuer auf die Bauleistungen, zweitens durch die Grunderwerbsteuer auf die Bauleistungen und drittens durch die Grunderwerbsteuer auf die Umsatzsteuer.
Das Finanzgericht Niedersachsen nennt diese Überbesteuerung einen rechtswidrigen „nationalen Belastungscocktail“ und zieht seit Jahren gegen die enorm steuerverschärfende Rechtsprechung des für die Grunderwerbsteuer zuständigen 2. Senats des Bundesfinanzhofs zu Felde. Es ist ein mühsamer „Kampf gegen Windmühlen“. Schon mehrfach haben die Finanzrichter sich auf die Seite der betroffenen Bürger gestellt und die Übermaßbesteuerung mit scharfer Kritik verurteilt. Und immer wieder hat der 2. Senat des BFH die Klage abgewiesen.
Im Jahre 2013 hat das Finanzgericht Niedersachsen erneut die steuerverschärfende Rechtsprechung des 2. BFH-Senats abgelehnt, weil diese Rechtsprechung zum „fiktiven einheitlichen Vertragswerk“ gegen das Grunderwerbsteuergesetz, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das Gebot des gesetzlichen Richters und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.
„Ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, sollte regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen“ (FG Niedersachsen vom 20.3.2013, 7 K 223/10).
Die Richter regen an, die Sache dem Großen Senat des BFH vorzulegen, um eine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu bekommen. Falls der 2. Senat des BFH dies abermals verweigern sollte, zeigen die Richter einen weiteren Weg auf: Die Kläger könnten dann beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erheben – wegen Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 GG, zusätzlich wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Richter leisten sich auch eine Spitze gegen den Europäischen Gerichtshof, der in der Doppelbesteuerung durch Umsatz- und Grundwerbsteuer auf die Bauleistungen keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Mehrfachbelastungsverbot sieht (EuGH-Urteil vom 27.11.2008, C-156/08). Die Richter: „Die rechtswidrige BFH-Rechtsprechung verstößt auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, auch wenn der Gerichtshof der Europäischen Union dies bisher (noch) nicht wahrhaben will.“
Aktuell hat der Bundesfinanzhof – und zwar wieder der 2. Senat – seine rigide Rechtsprechung bestätigt, dass auch auf die Baukosten des Hauses Grunderwerbsteuer zu zahlen ist, denn es liege ein „einheitlicher Erwerbsgegenstand“ vor. Es ist ärgerlich, dass der 2. Senat wieder alleine entschieden hat, ohne den Großen Senat mit der Frage zu befassen. Abermals hat der 2. Senat selbstherrlich die äußerst fundierte Klage des Finanzgerichts abgewiesen. Kein noch so gutes Argument der Finanzrichter haben die BFH-Richter gelten lassen (BFH-Urteil vom 4.12.2014, II R 22/13).
Lohnsteuer kompakt: Bauherren sollten bemüht sein, kein „einheitliches Vertragswerk“ entstehen zu lassen. Dies ist aber gar nicht so einfach. Eine getrennte Behandlung von Grundstück und Gebäude und folglich Grunderwerbsteuer nur auf den Grund und Boden kommt dann in Betracht, wenn Sie sich selber um eine passende Baufirma kümmern, die in keiner Beziehung zum Verkäufer des Grundstücks steht.
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