Für vermietete Gebäude, die nach dem 1.1.1925 fertig gestellt wurden und nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, bemisst sich die Abschreibung nach einem festen Prozentsatz von 2 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, das heißt, es wird eine fiktive Nutzungsdauer von 50 Jahren unterstellt (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG).
- Die Abschreibung gilt auch für den Käufer des Gebäudes. Die Abschreibungsdauer beginnt also bei jedem Erwerb immer von Neuem an zu laufen, auch wenn der oder die Vorbesitzer bereits viele Jahre Abschreibungen geltend gemacht haben. Falls Sie nachweisen können, dass die tatsächliche Nutzungsdauer weniger als 50 Jahre betragen wird, können Sie den Abschreibungssatz nach der kürzeren Nutzungsdauer berechnen. Das Ergebnis ist ein entsprechend höherer Abschreibungssatz (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).
- Der Bundesfinanzhof hat diesbezüglich entschieden, dass an den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer keine überbordenden Anforderungen zu stellen sind. Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist jedenfalls nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer (BFH-Urteil vom 28.7.2021, IX R 25/19).
- Der Finanzverwaltung behagt diese Rechtsprechung überhaupt nicht – und so wollte die Bundesregierung die Ausnahmeregelung einer „AfA nach einer begründeten tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer“ zum 1.1.2023 streichen. Es sollten also immer nur die typisierende Nutzungsdauer von 50 Jahren und der AfA-Satz von 2 Prozent angesetzt werden dürfen. Doch die geplante Gesetzesänderung wurde zurückgezogen. Damit bleibt die Möglichkeit der Abschreibung eines Gebäudes nach einer tatsächlichen Nutzungsdauer bestehen, wenn diese kürzer ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG bleibt erhalten).
Aktuell hat das Finanzgericht Köln bei einem Gebäude, das zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits 44 Jahre alt war, statt der üblichen Nutzungsdauer von 50 Jahren eine Restnutzungsdauer von 19 Jahren anerkannt. Statt einer AfA von 2 Prozent beträgt die Abschreibung nun 5,26 Prozent (FG Köln vom 20.10.2022, 6 K 1506/17, Revision IX R 14/23).
- Zunächst hat der Erwerber eine AfA-Dauer von sechs Jahren geltend gemacht (50 Jahre abzgl. 44 Jahre). Das Finanzamt lehnte dies ab und legte stattdessen die typische Nutzungsdauer von 50 Jahren zugrunde. Daraufhin beantragte der Erwerber eine Abschreibungsdauer von 15 Jahren. Im Klageverfahren hat das Finanzgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt, das auf eine Restnutzungsdauer für das Objekt zum Erwerbszeitpunkt von 19 Jahren kommt.
- Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob der AfA eine verkürzte Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Dies muss der Steuerzahler darlegen und gegebenenfalls nachweisen.