Einige Rentner durften sich in den vergangenen Jahren über ein schönes Steuergeschenk freuen: Wohl aufgrund eines technischen Versehens oder aufgrund eines Fehlers im „Betriebsablauf“ der Finanzverwaltung sind bei ihnen Renteneinkünfte nicht versteuert worden, und zwar trotz ordnungsgemäßer Erklärung. Natürlich versuchen die Finanzämter jetzt, die Einkommensteuer auf die Renten nachträglich doch noch festzusetzen.
Dazu ändern die Finanzämter die Steuerbescheide nach § 129 AO. Diese Vorschrift erlaubt ihnen eine Berichtigung von bestandskräftigen Steuerbescheiden bei so genannten offenbaren Unrichtigkeiten wie etwa Schreib- und Rechenfehlern. Im Falle der unterbliebenen Rentenbesteuerung hat der Fiskus nun aber eine empfindliche Niederlage erlitten.
Aktuell hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden, dass eine Korrektur nicht erfolgen darf, wenn das Finanzamt im ursprünglichen Steuerbescheid erklärte Renteneinkünfte deshalb außer Acht gelassen hat, weil der Rentenversicherungsträger sie noch nicht elektronisch mitgeteilt hatte (Urteil vom 19.10.2017, 6 K 1358/16 E).
Der Fall: Der Kläger bezog in 2011 und 2012 eine gesetzliche und eine private Rente. In seinen mittels ELSTER angefertigten und elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärungen gab er jeweils beide Renten sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der zutreffenden Höhe an. Zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Erklärungen lag dem Finanzamt nur die elektronische Rentenbezugsmitteilung der privaten, nicht aber der gesetzlichen Rentenversicherung vor.
Der Bearbeiter ließ die gesetzlichen Renteneinkünfte außer Betracht, berücksichtigte aber die erklärten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben. Diesbezüglich elektronisch generierte Risikohinweise hakte er ab. Nachdem das Finanzamt die elektronischen Rentenbezugsmitteilungen von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten hatte, änderte es die Einkommensteuerbescheide für beide Jahre unter Ansatz der nunmehr zutreffenden Renteneinkünfte und berief sich dabei auf § 129 AO.
Die Nichtberücksichtigung in den ursprünglichen Bescheiden beruhe allein auf einem mechanischen Versehen. Der Sachbearbeiter habe vermutlich die vom Kläger eingetragenen Daten gar nicht eingesehen und lediglich die Prüf- und Risikohinweise abgearbeitet.
Der Kläger berief sich demgegenüber auf die eingetretene Bestandskraft der ursprünglichen Bescheide. Das Gericht gab der Klage statt. Die Tatsache, dass das Finanzamt bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide die erklärten Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung außer Acht gelassen hat, stelle keine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO dar. Zunächst sei nicht auszuschließen, dass der Sachbearbeiter den Fehler bewusst in Kauf genommen habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er ohne Rücksicht auf die erklärten Werte nur die elektronisch übermittelten Daten übernehmen wollte. Darüber hinaus könne auch ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden. Die Renteneinkünfte und die darauf entfallenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hätten ihrer Höhe nach in einem krassen Missverhältnis gestanden und der Sachbearbeiter habe die entsprechenden Risikohinweise gleichwohl abgehakt.
Sollten auch Sie zu den Glücklichen gehören, bei denen die Renten seitens des Finanzamts irrtümlich außen vor gelassen wurden, so haben Sie keine Pflicht, den Fehler beim Finanzamt anzuzeigen. Der Fiskus ist für seine Fehler selbst verantwortlich.
Hat das Finanzamt Ihren Steuerbescheid aber nach § 129 AO berichtigt, so sollten Sie die Änderung nicht ohne Weiteres hinnehmen und Einspruch einlegen. Fragen Sie beim Finanzamt unbedingt nach, ob es einen Prüfhinweis gegeben hat und lassen sich eine Kopie des Hinweises geben. Befindet sich auf dem Prüfhinweis ein Namenskürzel, so kann davon ausgegangen werden, dass der Bearbeiter den Fall hinreichend geprüft hat. Eine anschließende Korrektur nach § 129 AO könnte dann ausscheiden.