Viele Kinder durchlaufen mehrere Ausbildungen, ehe sie ihr Berufsziel erreicht haben, z.B. Banklehre und anschließendes Studium, Handwerkerlehre und anschließende Technikerschule oder Fachoberschule, Handwerkerlehre und Fachoberschule und Fachhochschule. Oftmals wird eine einschlägige Berufstätigkeit für den als zweiter Ausbildungsabschnitt vorausgesetzt. Dann ist die Frage, ob der zweite Ausbildungsabschnitt noch Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung ist oder eine „schädliche“ Zweitausbildung darstellt. Bekommen die Eltern dann noch Kindergeld?
Aktuell hat das Finanzgericht Münster in zwei Urteilen wie folgt entschieden: Ist für den weiteren Berufsabschluss eine einschlägige Berufstätigkeit mit der damit verbundenen Sammlung berufspraktischer Erfahrungen erforderlich, stellt sich diese Ausbildung als Weiterbildung und damit als zweite Berufsausbildung dar. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht dann nicht mehr.
Die erforderliche Berufstätigkeit führt zu einem Einschnitt, der den notwendigen engen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungen entfallen lässt (FG Münster vom 23.5.2017, 1 K 3050/16 Kg; FG Münster vom 23.5.2017, 1 K 2410/16 Kg).
- Für eine einheitliche mehraktige Ausbildung ist erforderlich, dass sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Somit kommt es darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.
- Falls der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraussetzt und das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine entsprechende Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung mehr vor (so BFH-Urteil vom 4.2.2016, III R 14/15).
Der Fall: Die Tochter hat eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten abgeschlossen und arbeitet danach in Vollzeit in diesem Beruf. Gleichzeitig besucht sie in Teilzeit die Fachschule für Wirtschaft, um den Abschluss „staatlich geprüfte Betriebswirtin“ zu erlangen und Bilanzbuchhalterin zu werden. Voraussetzung für die Teilnahme an der Abschlussprüfung sind u.a. eine praktische Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf von mindestens einem Jahr. Dieses berufspraktische Jahr kann während der Fachschulausbildung abgeleistet werden.
Während des Besuchs der Fachschule (Zweitausbildung) haben die Eltern nur dann Anspruch auf Kindergeld oder auf die steuerlichen Freibeträge, wenn das Kind keine oder eine Erwerbstätigkeit von weniger als 20 Wochenstunden ausübt, ohne dass es auf die Höhe des Verdienstes ankommt.
Da diese Grenze aber bei einer nebenher ausgeübten Vollzeitbeschäftigung überschritten ist, entfällt der Kindergeldanspruch. Ein Minijob (Verdienst bis 450 EUR) oder eine Aushilfstätigkeit (längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage) wären dagegen unschädlich gewesen.
Wird vor dem Fachschulbesuch bzw. Studium keine oder eine Berufstätigkeit allenfalls zur Überbrückung ausgeübt, kann das Studium noch als integraler Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung gelten (sog. mehraktige Ausbildung).
In diesem Fall wird das Kindergeld ohne weitere Bedingung gewährt, also auch bei einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden während des Studiums. Die Höhe des Verdienstes ist ohne Bedeutung.