Im Juli 2021 hat sich das Bundesverfassungsgericht endlich zu der Entscheidung durchgerungen, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent monatlich bzw. 6,0 Prozent jährlich seit dem 1.1.2014 verfassungswidrig ist! Die Regelung in § 233a und § 238 Abs. 1 Satz 1 AO ist insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar (BVerfG-Urteile vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17).
Wegen der Höhe des Zinssatzes haben die Steuerzahler in all den vergangenen Jahren unzählige Einsprüche gegen die Steuerbescheide eingelegt. Erst ab Mai 2019 wurde in die Steuerbescheide mit Nachforderungs- oder Erstattungszinsen ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO aufgenommen, sodass sich danach ein Einspruch erübrigt hat.
Ein weiterer wichtiger Punkt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft die Korrektur der Steuerbescheide wegen des verfassungswidrigen Zinssatzes: Der hohe Zinssatz ist zwar ab dem 1.1.2014 verfassungswidrig, doch korrigiert werden muss er erst ab dem 1.1.2019!
Das heißt: Für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2018 gilt die verfassungswidrige Vorschrift fort, ohne dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen. Der Finanzminister darf also das Geld, das er fünf Jahre lang zu Unrecht kassiert hat, behalten und muss es nicht an die Geschröpften zurückgeben.
Aktuell ordnet die Finanzverwaltung mittels einer sogenannten Allgemeinverfügung an, dass alle anhängigen Einsprüche und Änderungsanträge zu Zinsfestsetzungen gemäß § 233a AO für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2019 zurückgewiesen werden und damit als erledigt gelten (Koordinierter Ländererlass vom 29.11.2021, S 0625).
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- Dabei wird auch definiert, was unter Verzinsungszeiträumen zu verstehen ist. So sind vor dem 1.1.2019 hierbei nur volle Zinsmonate zu verstehen, die spätestens mit Ablauf des 31.12.2018 enden. Für am 29.11.2021 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Änderung einer Zinsfestsetzung gilt Entsprechendes.
- Wer für Zeiten vor 2019 einen Antrag auf „Aussetzung der Vollziehung“ gestellt hat, muss jetzt damit rechnen, dass der Fiskus die ausgesetzten Nachzahlungszinsen nachfordert. Der Fiskus wird keine Scheu haben, auch verfassungswidrige Zinsen einzutreiben.
Nur für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 wird es eine Verringerung des Zinssatzes auf Steuernachforderungen und Erstattungszinsen geben. Allerdings werden von dem geringeren Zinssatz dann auch Steuererstattungen betroffen sein. Wer also für Zeiten ab 2019 eine Steuererstattung und damit Erstattungszinsen erhalten hat, wird wohl einen Teil zurückzahlen müssen.
Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsmäßige Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 erstreckt und alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide erfasst. Während die Zinsen bei den Banken seit langem zwischen 0 und minus 0,5 Prozent liegen, wird der Gesetzgeber gewiss einen Prozentsatz im positiven Bereich festlegen. Topp, die Wette gilt!
Für die Steuerzahler ist es mehr als ärgerlich, dass das Bundesverfassungsgericht den Zinswucher des Bundesfinanzministers für die Jahre bis 2018 duldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt „Zinswucher“ vor, wenn der verlangte Zinssatz doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Marktzins. Dies ist beim gesetzlichen Zinssatz von 6 Prozent eindeutig der Fall. Ein solch „auffälliges Missverhältnis“ von Leistung (Kreditgewährung) und Gegenleistung (Zinszahlung) ist nichtig (§ 138 Abs. 2 BGB). Nichtige Rechtsgeschäfte entfalten keinerlei Rechtswirkungen – eigentlich.
Guten Tag!
Ich hatte und habe das „Vergnügen“, für Mindestbeteiligungen an neun inzwischen insolventen Windparks (u.a. „freundlichst begleitend kommentiert“ vom DIW und dem jetzigen Wirtschaftsstaatssekretär Gigold) zehn Jahre rückwirkend nachträgliche Änderungen am Ergebnis durch Verhandlungen der „Konkursverwalter“ und den Betriebsfinanzämtern mit (6% Zinsen) zu zahlen, obwohl ich weder Kenntnis von den Verhandlungen, noch von den Forderungen hatte. Meine Einsprüche wurden sowohl in der Sache als auch in bezug auf die Höhe der Zinsen abgewiesen.
Nachdem ich dann im Internet die Praxis der Finanzämter anderer Bundesländer durchsuchte, dann auf eine bereits existierende Regelung zur Reduzierung der „Verzugszinsen“ auf 3 % stieß und das dem Berliner Finanzamt mit der Bitte um Anpassung „meldete“, wurde nur die aktuelle Entscheidung – und nur auf Antrag (!) – angepasst. Selbst mein Steuerberater kannte diese Regelung nicht.
Insofern bestätigt das BVerfG die bereits geübte Praxis.
Passend dazu erhielt ich im Januar eine Zinsnachforderung i.H.v. 11,00 € – bezogen auf das Jahr 2010.
Damit „verdient“ das Finanzamt noch am inszenierten Anlagebetrug Tausender Kleinanleger, weil der „Verkauf“ eines Anteils, gern zu 20% der Einlage (= die durchschn. max. Quote eines Insolvenzverwalters) auf diese „Einnahme“ auch noch Steuern erhebt. Wenn man dann noch die Nebenkosten für Anwalt etc. abziehen, bleibt nichts übrig. Dieses Modell wird für insolvente Biogasanlagen und alte Windparks (Repowering) zu Lasten der Kleinanleger und vergleichbarer Form in Immobiengeschäften genutzt.
Da kann man auch auf die 45 Mio. € der Warburg-Bank verzichten.
MfG
W. Lehberger