Ehegatten können bei der Abgabe ihrer Steuererklärung zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung wählen (§ 26 EStG). Wenn in der Steuererklärung keine Angaben gemacht werden, erfolgt die Ehegattenveranlagung automatisch als Zusammenveranlagung. Manchmal erkennen Ehegatten erst im Nachhinein, dass die von ihnen gewählte Veranlagungsart ungünstig ist und möchten beispielsweise anstelle der Einzelveranlagung doch die Zusammenveranlagung wählen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Wechsel der Veranlagungsart im Nachhinein, das heißt nach Ergehen der Steuerbescheide, noch möglich ist.
Die Antwort: Grundsätzlich können die Eheleute einen Wechsel der Veranlagungsart beantragen, solange der Steuerbescheid oder die Steuerbescheide noch nicht unanfechtbar ist/sind, also innerhalb eines Monats nach dessen/deren Bekanntgabe. Ist diese Frist abgelaufen, kommt ein Wechsel der Veranlagungsart nur noch in ganz engen Grenzen in Betracht. Geregelt sind diese Ausnahmefälle in § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG: Die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids nur noch geändert werden, wenn
- ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, geändert oder berichtigt wird und
- die Änderung der Wahl der Veranlagungsart der zuständigen Finanzbehörde bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Änderungs- oder Berichtigungsbescheids schriftlich oder elektronisch mitgeteilt oder zur Niederschrift erklärt worden ist und
- der Unterschiedsbetrag aus der Differenz der festgesetzten Einkommensteuer entsprechend der bisher gewählten Veranlagungsart und der festzusetzenden Einkommensteuer, die sich bei einer geänderten Ausübung der Wahl der Veranlagungsarten ergeben würde, positiv ist. Die Einkommensteuer der einzeln veranlagten Ehegatten ist bei der Ehegattenveranlagung zusammenzurechnen.
Aktuell hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass Ehegatten ihr Wahlrecht der Veranlagungsart bis zur Unanfechtbarkeit eines Bescheids – auch mehrfach – ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist grundsätzlich frei widerrufen können. Eine wirksame Ausübung oder Änderung des Wahlrechts ist dagegen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit nur noch unter den oben genannten Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 4 EStG möglich (FG Köln, Urteil vom 26.9.2022, 15 K 469/22). Die geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts ste lle für sich genommen keine verfahrensrechtliche Grundlage für eine Änderung von Bescheiden dar.
Jeder Ehegatte kann selbst über die Veranlagungsart bestimmen, aber die gewählte Veranlagungsart kann für beide nur einheitlich angewendet werden (BFH-Urteil vom 3.3.2005, III R 22/02, BStBl 2005 II S. 690). Das bedeutet: Wählt einer der beiden Ehegatten für die Ehegattenveranlagung die Einzelveranlagung, kann der andere gegenüber dem Finanzamt keine Zusammenveranlagung einfordern. Wurden Ehegatten bereits zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und wählt ein Ehegatte vor Bestandskraft des ihm gegenüber ergangenen Bescheids die Einzelveranlagung (früher: getrennte Veranlagung), muss der andere Ehegatten selbst dies akzeptieren.
Aber: Wird die Zustimmung zur Zusammenveranlagung bei zerstrittenen Ehegatten willkürlich verweigert, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch bzw. ein Schadensersatzanspruch zustehen, wenn die Zusammenveranlagung günstiger ist als die Einzelveranlagung. Das sollte stets berücksichtigt werden. Üblicherweise kommt die Zusammenveranlagung auch noch im Trennungsjahr in Betracht (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 9.4.2019, 21 UF 119/18; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.6.2019, Az. 13 UF 617/18).
Für die Experten unter unseren Lesern: Steuerfestsetzungen, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, sind zwar abänderbar, gelten aber dennoch als formell bestandskräftig, also unanfechtbar im obigen Sinne (BFH Urteil vom 19.12.1985, V R 167/82, BStBl 1986 II S. 420). Das heißt: Grundsätzlich kann die Veranlagungsart nur innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist gewechselt werden, auch wenn der oder die Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Im aktuellen Besprechungsfall ist allerdings die Revision zugelassen worden. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.