Liegt der Arbeitsort weit vom Wohnort entfernt, ist dort oftmals eine Zweitwohnung erforderlich. Wenn also aus beruflichen Gründen neben der Hauptwohnung ein Zweithaushalt entsteht, liegt eine doppelte Haushaltsführung vor. Bei Ledigen kommt dem eigenen Hausstand am Hauptwohnort eine größere Bedeutung als Verheirateten zu. Eine neue Bedingung für den „eigenen Hausstand“ ist seit 2014 die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung in der Hauptwohnung (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Die Frage ist, wann eine ausreichende finanzielle Beteiligung vorliegt.
Aktuell hat sich das Niedersächsische Finanzgericht ausführlich mit der Frage befasst, wann eine finanzielle Beteiligung des Arbeitnehmers am Haupthaushalt – vor allem im Mehrgenerationenhaushalt – ausreichend ist, damit eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anzuerkennen ist (FG Niedersachsen vom 18.9.2019, 9 K 209/18). Nach Auffassung des Finanzgerichts gilt Folgendes:
- Neben einer – nicht zwingenden – Beteiligung an den Wohnungs- und Hauskosten ist auch eine alleinige Beteiligung an den übrigen Lebensführungskosten ausreichend.
- Unter Lebensführungskosten sind (nur) diejenigen Aufwendungen zur Gestaltung des privaten Lebens zu verstehen, die einen Haushaltsbezug aufweisen. Das sind im Wesentlichen Miet- und Hauskosten, Verbrauchs- und sonstige Nebenkosten, Aufwendungen für die Anschaffung und Reparatur von Haushaltsgeräten und Haushaltsgegenständen, Kosten für Lebensmittel und Telekommunikation. Mangels Haushaltsbezugs zählen Kosten für Urlaub, Pkw, Freizeitgestaltung, Gesundheitsförderung sowie Kleidung u. Ä. nicht hierzu.
- Der Arbeitnehmer hat in jedem Jahr diese Kosten der Lebensführung dem Finanzamt gegenüber darzulegen. Ihn trifft insoweit zwar grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Wegen einer im Regelfall jedoch anzunehmenden Unzumutbarkeit – Kosten sind zum Großteil außerhalb seiner Einflusssphäre – ist aber regelmäßig eine Schätzung geboten.
- Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine solche Schätzung der Lebensführungskosten des Haupthaushaltes anhand der jährlichen Angaben des Statistischen Bundesamtes für den jeweiligen Haushaltstypus (etwa Mehrgenerationenhaushalt) erfolgt.
- Eine finanzielle Beteiligung an den Lebensführungskosten des Haupthaushaltes kann in direkter Form (etwa bare und unbare Leistungen von Geldbeträgen an die Eltern), aber auch indirekt erfolgen (etwa durch Anschaffung von Haushaltsgegenständen, Tragen von Reparatur- oder Renovierungskosten, Beteiligung an den Erwerbs- oder Baukosten). Ideelle Beträge oder Dienstleistungen (im Streitfall: Übernahme von Arbeiten rund ums Haus, Arbeiten im Garten, Mithilfe bei Umbau oder Renovierung) fallen nicht unter den Begriff der „finanziellen Beteiligung“.
- Eine regelmäßige Beteiligung an den laufenden Wohnungs- und Verbrauchskosten fordert die gesetzliche Neuregelung nicht, da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien hierauf hindeuten (entgegen BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Rz. 100). Auch unregelmäßige Zahlungen oder nur Einmalzahlungen können als finanzielle Beteiligung angesehen werden.
- Auf den Zeitpunkt der Zahlung – Anfang, Mitte oder Ende des jeweiligen Jahres – kommt es insoweit nicht an. Auch am Ende des Jahres geleistete finanzielle Beträge können ausreichend sein (im Streitfall: Am Ende des Jahres geleistete – rückbezogene – Überweisungen für laufende Kosten ab Beginn des Jahres und als Beteiligung an den Kosten einer Fenstererneuerung).
- Selbst eine Einbeziehung von Zahlungen außerhalb des Streitjahres hält der Senat für denkbar, sofern die Zahlungen ihre wirtschaftliche Verursachung im jeweiligen Streitjahr haben, z. B. Beteiligung an den Nebenkosten nach Vorlage der Nebenkostenabrechnung im Folgejahr. Das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG gilt hier nicht.
- Die finanzielle Beteiligung an den Lebensführungskosten des Haupthaushaltes darf nicht erkennbar unzureichend sein. Das Erfordernis des Überschreitens einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 Prozent, wie sie die Finanzverwaltung fordert (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Rz. 100) und die auch im übrigen Ertragssteuerrecht anerkannt ist, erscheint sachgerecht. Ansonsten wäre die gesetzliche Neuregelung weder praktikabel handhabbar noch justiziabel.
Fazit: Wohnt ein lediger Arbeitnehmer, der in der Woche in einer angemieteten Wohnung am Arbeitsort lebt, an den Wochenenden und in seiner übrigen Freizeit zusammen mit seinem Bruder und seinen Eltern in einem Mehrgenerationenhaushalt, so sind die Aufwendungen für die wöchentlichen Familienheimfahrten sowie die Mietaufwendungen der Zweitwohnung als Kosten einer doppelten Haushaltsführung anzuerkennen, wenn er sich an den haushaltsbezogenen Lebensführungskosten dieses Haupthaushaltes mehr als nur unwesentlich, d. h. oberhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 10 Prozent, finanziell beteiligt.
Gegen das Urteil ist zwischenzeitlich die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig unter dem Az. VI R 39/19. Die Rechtsfrage, in welcher Weise und in welcher Höhe sich der Steuerpflichtige an den Kosten der Lebensführung am Hauptwohnsitz beteiligen muss, ist bislang – soweit ersichtlich – nicht Gegenstand einer finanzgerichtlichen Entscheidung gewesen und bedarf der höchstrichterlichen Klärung.
Sofern das Finanzamt bei Ihnen eine doppelte Haushaltsführung mit dem Argument der fehlenden Kostenbeteiligung abgelehnt hat, sollten Sie hiergegen Einspruch einlegen und sich auf das genannte Verfahren berufen. Nach Möglichkeit sollten Sie es natürlich erst gar nicht auf einen Streit ankommen lassen, sondern am besten einen Dauerauftrag einrichten und den Eltern einen angemessenen Betrag „Beteiligung an den Miet- und Hauskosten“ monatlich überweisen.
Hinweis: Die entschiedenen Rechtsfragen dürften aufgrund einer Vielzahl vergleichbarer Fallkonstellationen erhebliche praktische Relevanz haben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes aus 2018 sind immerhin mehr als 25 Prozent aller Haushalte in Deutschland sog. Mehrpersonenhaushalte mit zwei Generationen.