Eine COVID-19-Erkrankung kann grundsätzlich einen Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen. Unter bestimmten Voraussetzungen können eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus und eine folgende Erkrankung an COVID-19 ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit sein.
(1) COVID-19 als Berufskrankheit
Die derzeitige Berufskrankheitenliste (Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung) enthält unter der Nr. 3101 die Bezeichnung „Infektionskrankheiten“. Dies schließt auch eine Erkrankung durch Covid-19 ein. Die Berufskrankheit gilt allerdings nicht uneingeschränkt, sondern ist auf bestimmte Berufs- und Tätigkeitsfelder beschränkt. Sie gilt für Personen, die infolge ihrer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert werden und deshalb an COVID-19 erkranken. Gleiches gilt für Personengruppen, die bei ihrer versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in einem ähnlichen Maße besonders ausgesetzt waren.
- Zum Gesundheitsdienst zählen z.B. Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken, Physiotherapieeinrichtungen, Krankentransporte, Rettungsdienste oder Pflegedienstleistungen.
- Einrichtungen der Wohlfahrtspflege sind vor allem solche der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie zur Hilfe für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen oder Menschen in besonderen sozialen Situationen, z.B. Suchthilfe oder Hilfen für Wohnungslose.
- Neben wissenschaftlichen und medizinischen Laboratorien werden auch Einrichtungen mit besonderen Infektionsgefahren erfasst, soweit die dort Tätigen mit Kranken in Berührung kommen oder mit Stoffen umgehen, die kranken Menschen zu Untersuchungszwecken entnommen wurden.
Bei der Beantwortung der Frage, ob einzelne Personen durch ihre Tätigkeiten in anderen Bereichen „in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr ausgesetzt“ sind, kommt es auf die Art der Kontakte mit infizierten Personen an. Diese müssen bestimmungsgemäß mit unmittelbarem Körperkontakt (z.B. Tätigkeiten des Friseurhandwerks) oder mit gesichtsnahen Tätigkeiten (z.B. kosmetischen Behandlungen) verbunden sein. Darüber hinaus gibt es bislang keine wissenschaftlich gesicherten Hinweise darauf, dass bestimmte Berufsgruppen wie z.B. Kassiererinnen und Kassierer oder Beschäftigte im öffentlichen Nahverkehr bei ihren Tätigkeiten einem vergleichbar erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Aktuell ergibt sich aus Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dass bis zum 31.8.2021 bereits 103.244 Fälle als Berufskrankheit anerkannt wurden.
Ist die Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten der anstehenden Heilbehandlung sowie der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation. Bei einer bleibenden Minderung der Erwerbsfähigkeit kann sie auch eine Rente zahlen. Im Todesfall können Hinterbliebene eine Hinterbliebenenrente erhalten. Die Kosten für einen SARS-CoV-2-Test werden unter bestimmten Umständen übernommen. Zum Beispiel, wenn es im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen oder in Laboratorien direkten Kontakt zu einer mit SARS-CoV-2-infizierten oder möglicherweise infizierten Person gab.
(2) COVID-19 als Arbeitsunfall
Erfolgt eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infolge einer versicherten Tätigkeit, ohne dass die Voraussetzungen einer Berufskrankheit vorliegen, kann die Erkrankung einen Arbeitsunfall darstellen. Dies setzt voraus, dass die Infektion auf die jeweilige versicherte Tätigkeit (z.B. Beschäftigung, Schulbesuch, Ausübung bestimmter Ehrenämter, Hilfeleistung bei Unglücksfällen o.a.) zurückzuführen ist. In diesem Rahmen muss ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person („Indexperson“) nachweislich stattgefunden haben und spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Kontakt die Erkrankung eingetreten bzw. der Nachweis der Ansteckung erfolgt sein. Die Intensität des Kontaktes bemisst sich dabei vornehmlich nach der Dauer und der örtlichen Nähe.
- Anhaltspunkte dafür, wann diese Form des Kontaktes gegeben ist, geben die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel in der Fassung vom 7.5.2021 und das Robert-Koch-Institut in seiner Einschätzung vom 31.3.2021. Demnach kann ein Kontakt mit einer Indexperson im näheren Umfeld zu einer Ansteckung führen, wenn dieser länger als zehn Minuten dauert, ohne dass die Beteiligten einen Mund-Nase-Schutz oder eine FFP2-Maske tragen. In Gesprächssituationen kann auch eine kürzere Zeitspanne ausreichen. Bei hohen Raumkonzentrationen infektiöser Aerosole kann eine Ansteckung nach mehr als zehn Minuten trotz des Tragens eines Mund-Nase-Schutzes oder einer FFP2-Maske erfolgen.
- Lässt sich kein intensiver Kontakt zu einer Indexperson feststellen, kann es im Einzelfall ausreichen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z.B. innerhalb eines Betriebs oder Schule) der betroffenen Person nachweislich eine größere Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat und konkrete, die Infektion begünstigende Bedingungen bei der versicherten Tätigkeit vorgelegen haben. Dabei spielen Aspekte wie Anzahl der nachweislich infektiösen Personen im engeren Tätigkeitsumfeld, Anzahl der üblichen Personenkontakte, geringe Infektionszahlen außerhalb des versicherten Umfeldes, räumliche Gegebenheiten wie Belüftungssituation und Temperatur eine entscheidende Rolle.
- Hat der Kontakt mit einer Indexperson auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg stattgefunden und ist in der Folge eine COVID-19-Erkrankung aufgetreten, kann unter den aufgeführten Bedingungen ebenfalls ein Arbeitsunfall vorliegen. Insbesondere ist hier an vom Unternehmen organisierte Gruppenbeförderung oder Fahrgemeinschaften von Versicherten zu denken.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls ist stets zu berücksichtigen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt Kontakt zu anderen Indexpersonen in nicht versicherten Lebensbereichen (z.B. Familie, Freizeit oder Urlaub) bestanden hat. Im Ergebnis ist in jedem Einzelfall eine Abwägung erforderlich, bei der alle Aspekte, die für oder gegen eine Verursachung der COVID-19-Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit sprechen, zu berücksichtigen sind. Nur die Infektion, die infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles.
Aktuell ergibt sich aus Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dass bis zum 31.8.2021 bereits 9.315 Fälle als Arbeitsunfall anerkannt wurden (Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)
Bei einer Berufskrankheit, einem Arbeits- oder Dienstunfall steht das gesundheitsschädigende Ereignis in eindeutigem Zusammenhang mit dem Beruf, sodass alle dadurch entstehenden Aufwendungen, soweit sie ggf. nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt sind, als Werbungskosten absetzbar sind. Liegt kein Arbeitsunfall vor, können die selbst getragenen Aufwendungen nur im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen – nach Überschreiten der zumutbaren Belastung – abgesetzt werden.