Nicht wenige Arbeitnehmer fahren jeden Tag über 100 Km mit der Deutschen Bahn zur Arbeit. Da lohnt der Kauf einer Bahncard. Und manch Werktätiger kauft sogar eine Bahncard 100, die derzeit 4.144 Euro für die zweite und 7.010 Euro für die erste Klasse kostet. Viel Geld, aber zumeist immer noch günstiger als die Pendelei mit dem eigenen Pkw. Aber können die Kosten für die Bahncard 100 in voller Höhe als Werbungskosten abgezogen werden? Leider ist die Antwort auf diese Frage alles andere als einfach. Lesen Sie dazu die nachfolgenden Hinweise.
Vorweg sei darauf hingewiesen, dass es hier nicht um die Frage geht, ob der Arbeitgeber die Kosten der Bahncard steuerfrei erstatten kann. Und es soll auch nicht der Fall behandelt werden, dass die Bahncard in erster Linie für Dienstreisen verwendet wird. Es geht hier – ganz profan – nur um den Einsatz der Bahncard für die Fahrten zur Arbeit, genau genommen zur ersten Tätigkeitsstätte. Dabei soll unterstellt werden, dass private Gründe für den Erwerb der Bahncard ganz untergeordnet sind, das heißt, dass Privatfahrten mit der Bahn nur selten erfolgen. Hier zunächst die Grundsätze:
- Für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte dürfen Sie 30 Cent pro Entfernungskilometer abziehen. In 2021 gelten 35 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer, im Jahre 2022 sind es 38 Cent ab dem 21. Entfernungskilometer. Auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wird die Entfernungspauschale angesetzt. Aber: Übersteigen die Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale anzusetzenden Betrag, können diese übersteigenden Aufwendungen zusätzlich angesetzt werden.
- Die anzusetzende Entfernungspauschale ist bei Benutzung von Bus und Bahn grundsätzlich auf einen Höchstbetrag von 4.500 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Diese Beschränkung gilt aber nicht, soweit tatsächlich höhere Aufwendungen entstanden sind. Dazu bedarf es natürlich eines entsprechenden Nachweises. Auch bei Nutzung des eigenen – oder überlassenen – Kfz gilt die Grenze von 4.500 Euro nicht.
- Wer täglich mit der Bahn zur Arbeit fährt und dabei sogar eine Bahncard 100 nutzt, darf die Kosten für die Bahncard grundsätzlich als Werbungskosten abziehen. Die Möglichkeit der privaten Nutzung der Bahncard ist in diesem Fall ohne Bedeutung, weil die Aufwendungen des Arbeitnehmers bei Verzicht auf den Erwerb der Bahncard höher wären. In einer Verfügung der OFD Hannover heißt es dazu:
„Aufwendungen eines Arbeitnehmers für eine Bahncard der DB, die ihm für das gesamte Streckennetz der DB eine Ermäßigung bei Erwerb von Fahrkarten ermöglicht, sind neben den Kosten der Fahrkarten als Werbungskosten bei den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, wenn die Bahncard vom Arbeitnehmer zu dem Zweck erworben wird, die für den Werbungskostenabzug in Betracht kommenden Aufwendungen (insbesondere Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Dienstreisen) insgesamt zu mindern. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder Dienstreisen mit der Bahn durchführt. Die Möglichkeit der privaten Nutzung der Bahncard ist in diesem Fall ohne Bedeutung, weil die Aufwendungen des Arbeitnehmers bei Verzicht auf den Erwerb der Bahncard höher wären.“(OFD Hannover vom 16.11.1992, DStR 1993 S. 19).
Beispiel 1:
Frau Steuerle benutzt im Jahr 2021 an 220 Arbeitstagen für die Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte die Deutsche Bahn. Die kürzeste benutzbare Straßenverbindung beträgt 80 km. Frau Steuerle hat im Januar eine Bahncard 100 der ersten Klasse für rund 7.000 Euro erworben.
Für das gesamte Kalenderjahr würde sich folgende Entfernungspauschale ergeben: 220 Tage x 20 km x 0,30 Euro = 1.320 Euro. Zuzüglich 220 Tage x 60 km x 0,35 Euro = 4.620 Euro. Zusammen sind es 5.940 Euro. Die anzusetzende Entfernungspauschale ist bei Benutzung von Bus und Bahn grundsätzlich auf einen Höchstbetrag von 4.500 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Diese Beschränkung gilt aber nicht, soweit tatsächlich höheren Aufwendungen entstanden sind. Hier sind 7.000 Euro an Kosten entstanden, die den Betrag von 4.620 Euro um 2.380 Euro übersteigen. Frau Steuerle darf also 4.620 Euro + 2.380 Euro = 7.000 Euro als Werbungskosten geltend machen. Dass sie die Bahncard 100 auch für private Fahrten nutzen kann, spielt keine Rolle.
Beispiel 2:
Frau Steuerle benutzt im Jahr 2021 an 220 Arbeitstagen für die Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte die Deutsche Bahn. Die kürzeste benutzbare Straßenverbindung beträgt 120 km. Frau Steuerle hat im Januar eine Bahncard 100 der ersten Klasse für rund 7.000 Euro erworben.
Für das gesamte Kalenderjahr würde sich folgende Entfernungspauschale ergeben: 220 Tage x 20 km x 0,30 Euro = 1.320 Euro. Zuzüglich 220 Tage x 100 km x 0,35 Euro = 7.700 Euro. Zusammen sind es 9.020 Euro . Die anzusetzende Entfernungspauschale ist bei Benutzung von Bus und Bahn grundsätzlich auf einen Höchstbetrag von 4.500 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Diese Beschränkung gilt aber nicht, soweit tatsächlich höhere Aufwendungen als 4.500 Euro entstanden sind. Frau Steuerle hat insgesamt 7.000 Euro aufgewendet und darf diesen Betrag als Werbungskosten geltend machen. Dass sie die Bahncard 100 auch für private Fahrten nutzen kann, spielt keine Rolle.
Beispiel 3:
Wie oben, Frau Steuerle benutzt im Jahr 2021 an 220 Arbeitstagen für die Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte die Deutsche Bahn. Die kürzeste benutzbare Straßenverbindung beträgt 120 km. Frau Steuerle hat im Januar eine Bahncard 100 der zweiten Klasse für rund 4.000 Euro erworben.
Für das gesamte Kalenderjahr würde sich folgende Entfernungspauschale ergeben: 220 Tage x 20 km x 0,30 Euro = 1.320 Euro. Zuzüglich 220 Tage x 100 km x 0,35 Euro = 7.700 Euro. Zusammen sind es 9.020 Euro. Ergebnis: Es werden nicht die tatsächlichen Aufwendungen für die Bahncard in Höhe von 4.000 Euro abgezogen, da sie unterhalb der für das Kalenderjahr insgesamt anzusetzenden Entfernungspauschale liegen. Vielmehr dürfen die Kosten laut Entfernungspauschale, aber gedeckelt auf 4.500 EUR, abgezogen werden.
Achtung: Leider besteht bei den Finanzämtern keine einheitliche Linie. Das heißt, zuweilen nehmen die Finanzämter eine Deckelung auf 4.500 Euro vor. Andere Finanzämter wiederum erkennen nicht die kompletten Kosten der Bahncard 100 an, sondern – sofern günstiger – nur die Kosten von Monatstickets oder einer Jahresfahrkarte (entsprechend BMF 15.8.2019, BStBl 2019 I S. 875 Rz. 13 bezüglich steuerfreier Arbeitgebererstattungen). Zum Teil verlangen sie auch eine Berechnung, aus der sich ergibt, dass der Erwerb der Bahncard 100 aus rein beruflicher Sicht wirtschaftlich sinnvoll ist.
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gibt es dazu – soweit ersichtlich – nicht, nur Urteile einzelner Finanzgerichte, die aber zuweilen recht spezielle Sachverhalte betreffen:
- Das FG Münster hält eine Kappung auf 4.500 Euro jedenfalls für nicht gerechtfertigt, sondern spricht sich für einen vollen Abzug der Kosten einer Bahncard 100 aus (Urteil vom 21.10.2020, 5 K 1744/18 E).
- Das FG Nürnberg hingegen scheint zu einer Deckelung tendieren zu wollen (Urteil vom 11.8.2011, 4 K 258/10).
- Und das Niedersächsische FG hat ohnehin eine ganz eigene Berechnungsmethode gefunden (Urteil vom 21.10.2014, 12 K 79/13).
Bei Streit mit Ihrem Finanzamt sollten Sie nicht nur mit dem Urteil des FG Münster, sondern auch mit der Gesetzesbegründung zum „Entwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011“ (Bundestags-Drucksache 17/5125 vom 21.3.2011, Seite 36) argumentieren, wenn das Finanzamt bei Ihnen eine Deckelung vornehmen will, denn dort heißt es eindeutig:
„Diese Begrenzung gilt nicht , ….. soweit die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Entfernungspauschale übersteigen.“
Das Steuervereinfachungsgesetz wurde nach dem Urteil des FG Nürnberg verabschiedet, sodass das Urteil überholt ist! Aber zugegeben: Es bleibt eine Unsicherheit, die wohl früher oder später erst der Bundesfinanzhof beseitigen kann.