Bringt der Arbeitnehmer einen Werbeaufkleber des Arbeitgebers an seinem privaten Pkw an und erhält er dafür von seinem Arbeitgeber eine Vergütung für die „Fahrzeugwerbung“, so handelt es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG. Diese sind steuerfrei, wenn sie weniger als 256 Euro im Jahr betragen – so die Theorie!
Wie so häufig bei Steuermodellen ist aber auch die Gestaltung „Zuschuss für eine Fahrzeugwerbung“ zu sehr auf die Spitze getrieben worden. Auch wenn es genügend Warnungen gab:
Allzu viele Arbeitgeber haben ihren Arbeitnehmern 255 Euro lediglich dafür bezahlt, dass sie die Halterung für das Kfz-Kennzeichnen mit einer Werbung für ihre Firma versehen haben. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis die Finanzverwaltung reagiert. Sie nimmt das Steuermodell ins Visier und sieht in den Zahlungen Lohnbestandteile, die zu Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit führen und voll zu versteuern sind. Und nun war sie damit auch mehrfach erfolgreich.
Im Jahre 2019 hat das FG Münster entschieden, dass ein Entgelt, das der Arbeitgeber an seine Mitarbeiter für die Anbringung eines mit Werbung versehenen Kennzeichenhalters zahlt, der Lohnsteuer unterliegt (FG Münster, Urteil vom 3.12.2019, 1 K 3320/18 L; Revision unter VI R 20/20).
Die Begründung: Bei Würdigung der Gesamtumstände sei das auslösende Moment für die Zahlungen die Stellung der Vertragspartner als Arbeitnehmer und damit im weitesten Sinne deren Arbeitstätigkeit gewesen. Die betriebsfunktionale Zielsetzung, Werbung zu betreiben, habe nicht eindeutig im Vordergrund gestanden. Das Urteil liegt auf einer Linie mit einer Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2016 (2 K 1180/16).
Letztlich ist eine Lohnsteuerfreiheit – wenn überhaupt – nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Statt einer reinen Kennzeichenhalterung sollte ein großformatiger Werbeaufkleber angebracht werden, der eindeutig auf das Unternehmen schließen lässt und den ein fremder Dritter auch tatsächlich als Werbung wahrnehmen würde.
Auch sollte der Betrag nicht jährlich erneut gezahlt werden, sondern immer nur dann, wenn sich der Aufkleber/Werbeausdruck ändert oder aber das Fahrzeug gewechselt wird. Zudem ist eine konkrete Vertragsgestaltung, die einen werbewirksamen Einsatz des jeweiligen Fahrzeugs sicherstellt, erforderlich. Doch in der Praxis findet man derartige Verträge und Ausgestaltungen zugegebenermaßen selten.
Aktuell hat nun auch das Bundessozialgericht dem Modell „Fahrzeugwerbung“ einen herben Dämpfer verpasst (BSG-Urteil vom 23.2.2021, B 12 R 21/18 R):
- Einnahmen aus der Vermietung von Werbeflächen auf privaten Pkws, die als neue Gehaltsanteile an Stelle des Bruttoarbeitslohns erzielt werden, sind sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt und unterliegen der Beitragspflicht.
- Vereinbart ein Arbeitgeber mit der Belegschaft einen teilweisen Lohnverzicht und zahlt im Gegenzug Miete für Werbeflächen auf den Pkws der Belegschaft, handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Dieses umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und die Werbeeinnahmen als „neue Gehaltsanteile“ angesehen werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit der Belegschaft beruhten.